nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente nach Arbeitslosigkeit. Verminderter Zugangsfaktor. Rentenkürzung. Nichtanrechnung der Pflichtbeiträge. Vertrauensschutztatbestände. Eingriff in bestehende Rentenanwartschaften. Vermögenswertes Anwartschaftsrecht. Erfüllung der Wartezeit. Vorgezogene Anhebung der Altersgrenzen. Finanzierung des vorzeitigen Rentenbezugs. In rentennahen Jahrgängen erworbene Rangstellung in Schutzbereich von Art. 14 GG einbezogen. Unverhältnismäßigkeit. Gleichheitssatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Versicherter hat Anspruch auf Altersrente, wenn er vor dem 1.1.1952 geboren ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat und mit 58, 5 Jahren insgesamt 52 Wochen arbeitslos war, allerdings wird der Berechnung seiner Rente ein reduzierter Zugangsfaktor zugrunde gelegt.
2. Die vorgezogene Anhebung der Altersgrenzen bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit verletzen weder die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG noch das garantierte Teilhaberecht (übereinstimmende Rechtsansicht der Obergerichte). Rentenanwartschaften bergen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen und Eingriffen für die Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Rentensystems und sind deshalb verfassungskonform.
3. Die vorgezogene Anhebung der Altersgrenzen durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuStFöG) und das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) ist nicht unverhältnismäßig; sie ist zumutbar, weil sie mit ausreichenden Übergangsvorschriften bzw. Ausgleichsmaßnahmen einhergeht.
Normenkette
SGB VI § 237 Abs. 1, 3, 4 Fassung: RRG: 1997-12-16, § 41 Abs. 1a Fassung: RuStFöG, § 77 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Nr. 2a; RGG Art. 33 Abs. 13; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1; SGG § 153 Abs. 2
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 25.01.2002; Aktenzeichen S 3 RA 499/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Verminderung des Zugangsfaktors auf den Wert 0,877 einer Rente nach Arbeitslosigkeit des am 17.09.1940 geborenen Klägers.
Der Kläger, von Beruf Buchhalter, entrichtete von Mai 1955 bis März 1998 Pflichtbeiträge an die Beklagte im Umfang von 491 Monaten. Ab 01.04.1998 war er arbeitslos gemeldet und bezog nach einer Ruhenszeit gem. § 143 a SGB III von einem Monat wegen der Anrechnung einer Abfindung 33 Monate lang vom 02.05.1998 bis 18.01.2001 Arbeitslosengeld von der Bundesanstalt für Arbeit. Vom 01.03.1999 bis 30.11.2000 war der Kläger 21 Monate geringfügig beschäftigt.
Auf den nach Vollendung des 60. Lebensjahres am 2.10.2000 gestellten Altersrentenantrag des Klägers wegen Arbeitslosigkeit - nach einer Probeberechnung geändert auf einen Rentenbeginn/ Antragstellung zum 01.02.2001 - zahlte die Beklagte mit Bescheid vom 24.11.2000 Altersrente (Nettozahlbetrag: 2348,74 DM). Der Zugangsfaktor ist um 0,123 bzw. 12,3 Prozent für 41 Kalendermonate vorzeitiger Inanspruchnahme vermindert und die Summe aller Entgeltpunkte von 59,7530 auf 52,4034 (bzw. mit Neufeststellungsbescheid vom 23.05.2001 auf 52,4854) herabgesetzt. Es verblieb bei dieser Neufeststellung wegen eines Zuschlags für Arbeitentgelt aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung bei insgesamt 535 Monaten Beitragszeiten und 12 Monaten beitragsfreien Zeiten.
Den gegen die Rentenkürzung und die Nichtanrechnung der Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit im Rahmen der Vertrauensschutzregelung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2001 zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er hat insbesondere einen Verstoß des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) wegen der Nichtberücksichtigung seiner während der Arbeitslosigkeit entrichteten Pflichtbeiträge gerügt.
Durch Urteil vom 25.01.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Rechtsanwendung der Beklagten entspreche der zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltenden Rechtslage, die mit Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar sei. Dem Hilfsantrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sei daher nicht stattzugeben. Der Spielraum des Gesetzgebers in der Auswahl von Differenzierungsgründen sei weit gezogen. Der Gesetzgeber habe schon mit dem Rentenreformgesetz 1992 den Plan verfolgt, die Altersgrenzen bis auf das 65. Lebensjahr anzuheben. Auf Grund von Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und gesamtwirtschaftlichen Fakten habe sich der Trend zu einem immer früheren Renteneintritt nachhaltig verstärkt, weswegen 1996 ein Vorziehen dieses Planes erforderlich geworden sei. Dabei habe der Gesetzgeber triftige Gründe für die jetzt geltende Vertrau...