Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. MdE. Wesentliche Änderung. Unfallfolge. Ursächlicher Zusammenhang. Lendenwirbelsäule
Leitsatz (redaktionell)
Die Verschlimmerung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ist nur dann als Unfallfolge anzuerkennen, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf dem Arbeitsunfall beruht. Die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs genügt nicht.
Normenkette
RVO § 580; SGB VII §§ 212, 214 Abs. 3; SGB X § 48
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7. November 2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2006 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen des Unfalls vom 7. November 1974 und die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 10 v.H. ab 1. Januar 2002 sowie nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ab 1. Dezember 2005.
Dem 1949 geborenen Kläger fiel am 7. November 1974 eine Eisenstange auf die Wirbelsäule. Die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag zeigten eine Einbuchtung der Deckplatte des 3. Lendenwirbelkörpers sowie eine Konturunterbrechung an der vorderen Kante. Im Gutachten vom 21. April 1975 führte der Chirurg Dr. S. aus, durch den Unfall sei es zu einem Stauchungsbruch des dritten Lendenwirbelkörpers unter ganz geringer Höhenminderung gekommen, der knöchern fest verheilt sei. Die MdE schätzte er auf 20 v.H. ein. Im Gutachten vom 10. November 1975 erklärte Dr. S., die endgradige Einschränkung der Seitwärtsneigung und die Beschwerden bedingten ab 1. November 1975 eine MdE um 10 v.H..
Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 12. Dezember 1975 als Folgen des Arbeitsunfalls endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie glaubhafte Beschwerden nach knöchern fest verheiltem Bruch des 3. Lendenwirbelkörpers an. Die MdE wurde vom 13. Januar 1975 bis 31. Oktober 1975 mit 20 v.H. bewertet.
In den Gutachten vom 19. Juni 1980 und 10. April 1981 schätzte Dr. S. die MdE mit unter 10 v.H. ein. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers auf Wiedergewährung der Rente mit Bescheid vom 29. Mai 1981 ab.
Wegen der Folgen eines Unfalls vom 28. April 1979 erhält der Kläger Rente, zuletzt nach einer MdE um 40.H..
Gegenüber dem Durchgangsarzt Dr. L. machte der Kläger am 18. Mai 1998 zunehmende Kreuzschmerzen geltend. Der Neurologe Dr. D. bestätigte am 22. Oktober 1998 ein lumbales und cervikales Wurzelreizsyndrom.
Der Chirurg Prof. Dr. B. erklärte nach Untersuchung des Klägers am 29. August 2005, die der Klärung von Folgen sowohl des Unfalls vom 28. April 1979 als auch des streitgegenständlichen Unfalls diente, eine Trennung der unfallbedingten und der schicksalhaften Erkrankungen an der Wirbelsäule sei nicht ohne weiteres möglich.
Im Gutachten vom 17. Februar 2006 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. aus, gegenüber dem Befund von Dr. D. ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Eine fassbare radikuläre Symptomatik liege nicht vor. Die Sensibilitätstörungen seien nicht eindeutig zuordbar. Auf neurologischem Fachgebiet lägen keine Folgen der LWK-3-Fraktur vor.
Der Chirurg Dr. G. führte im Gutachten vom 8. März 2006 aus, die LWK-3-Fraktur sei stabil verheilt. Auch die anfängliche leichte Skoliose habe sich nicht wesentlich geändert. Auffällig sei die schnelle Zunahme degenerativer Veränderungen, für die aber die 30 Jahre zurückliegende stabile Fraktur nicht ursächlich verantwortlich gemacht werden könne. Der überwiegende Teil der Beschwerden resultiere aus der Degeneration und könne nicht den Unfallfolgen angelastet werden. Die MdE sei mit 10 v.H. einzuschätzen.
Der beratende Arzt der Beklagten, der Chirurg Dr. B., erklärte in der Stellungnahme vom 15. Mai 2006, die unkomplizierte Schädigung im Deckplattenbereich des 3. Lendenwirbelkörpers, die mit keinen weitergehenden begleitenden Verletzungen einhergegangen sei und über Jahrzehnte keine Reaktion verursacht habe, habe keinen Zusammenhang mit der allgemeinen Degenerationsentwicklung der ganzen Wirbelsäule. Die MdE liege deutlich unter 10 v.H..
Mit Bescheid vom 23. Juni 2006 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung der Rente und Übernahme weiterer Heilbehandlungskosten ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 zurück.
Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Prof. Dr. R. führte im Gutachten vom 6. Februar 2007 aus, die ausgedehnten Veränderungen der Lendenwirbelsäule stünden nicht in Zusammenhang mit dem Unfall, bestimmten aber ausschließlich oder ganz überwiegend die Beschwerden. Eine unfallbedingte MdE sei nicht mehr feststellbar.
Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr. B. erklärte im Gutachten vom 13. Juli 2007, ohne die Formänderung des Lendenwirbelkörpers wären mit Wahrscheinlichkeit die Abnut...