nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeit. Vermögen. Lebensversicherung. Rückkaufswert
Leitsatz (redaktionell)
Offensichtlich unwirtschaftlich ist eine Verwertung von Vermögen nur dann, wenn der dadurch erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstand steht oder stehen würde. Gewisse Verluste muss der Arbeitslose hinnehmen; lediglich die Verschleuderung von Vermögenswerten darf ihm nicht zugemutet werden. Umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung von wirklichen Werten nur geringfügig abweicht. Bei einer Lebensversicherung kann dabei auf das Verhältnis zwischen Rückkaufswert und Beitragsaufwand abgestellt werden, wobei die bis dahin erkaufte Risikoabsicherung zusätzlich zu berücksichtigen wäre. Nicht zu berücksichtigen sind Dispositionen und (gesicherte) Erwartungen zukünftiger Vermögenszuwächse, denn geschützt ist nur die Substanz des Vermögens, nicht aber das zukunftsgerichtete sachgerechte Wirtschaften mit vorhandenen Vermögenswerten.
Normenkette
SGB III § 190; AlhiV a.F. §§ 6, 9; AlhiV 2002 § 1
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 04.06.2003; Aktenzeichen S 13 AL 137/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.06.2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 06.12.2001 Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren hat.
Der 1943 geborene Kläger bezog nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld seit 06.12.1998 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Dabei blieben vom Kläger angegebene Lebensversicherungen (Bayer. Versicherungskammer, Laufzeit: 01.11.1996 bis 01.11.2008, Versicherungssumme: 147.553,00 DM; DEVK, Laufzeit: 01.12.1969 bis 01.12.2003, Versicherungssumme: 10.000,00 DM) als zur Alterssicherung dienendes Vermögen unberücksichtigt.
Mit Antrag vom 30.10.2001 begehrte der Kläger unter Angabe u.a. der beiden Lebensversicherungen die Fortzahlung von Alhi über den 05.12.2001 hinaus. Er gab einen Gesamtrückkaufswert bezüglich der Lebensversicherungen von 123.024,59 DM (Bayer. Versicherungskammer) bzw. 23.256,66 DM (DEVK) zum 01.12.2001 an. Beiträge habe er bis dahin in Höhe von 108.991,00 DM bzw. 8.179,20 DM geleistet.
Mit Bescheid vom 13.12.2001 und Widerspruchsbescheid vom 23.01.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alhi ab 06.12.2001 ab. Der Kläger besitze neben Sparvermögen und einem Guthaben auf einem Girokonto in Höhe von insgesamt 3.614,67 DM der Altersvorsorge dienende Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert in Höhe von insgesamt 146.281,25 DM. Abzüglich eines für die Altersvorsorge angemessenen Betrages in Höhe von 58.000,00 DM (1.000,00 DM je Lebensjahr) und eines allgemeinen Freibetrages in Höhe von 8.000,00 DM verbleibe ein einzusetzendes Vermögen in Höhe von 83.895,92 DM, das bei einem wöchentlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 1.420,00 DM zu einem Ausschluss der Bedürftigkeit für 59 Wochen, d.h. bis zum 22.01.2003 führe. Einen erneuten Antrag auf Alhi gemäß der ab 01.01.2002 geltenden Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiV 2002) bei Unterschreiten des dort genannten Freibetrages könne jedoch gestellt werden.
Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, ein Rückkauf der Lebensversicherungen sei unwirtschaftlich. Die Lebensversicherungen hätten einen Betrag von 120.000,00 DM nicht überschritten und die Laufzeit habe noch keine 12 Jahre betragen. Bei Abschluss der Lebensversicherung bei der Bayer. Versicherungskammer 1996 sei die Anlage noch nicht zu berücksichtigen gewesen. Laut Rentenauskunft vom 07.08.2002 erhalte er ab dem 65. Lebensjahr eine gesetzliche Rente in Höhe von 1.468,80 EUR monatlich (bei Bezug bereits ab dem 60. Lebensjahr in Höhe von 1.204,42 EUR) sowie aus einer seiner Lebensversicherungen ab dem 65. Lebensjahr Rentenleistungen in Höhe von anfangs 589,33 EUR.
Das SG hat mit Urteil vom 04.06.2003 die Beklagte unter Aufhebung der erlassenen Bescheide verurteilt, ab 06.12.2001 Alhi zu gewähren. Die Beklagte habe nach der vom 23.06.1999 bis 31.12.2001 geltenden Fassung der AlhiV (AlhiV aF) bereits ab 06.12.1999 die Lebensversicherungen berücksichtigen müssen, so dass bereits ab diesem Zeitpunkt für ca. 59 Wochen keine Bedürftigkeit bestanden hätte. Ab März 2001 allerdings wäre ein Anspruch wieder gegeben gewesen. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheitere aber am Vertrauensschutz. Da sich seit 06.12.1999 eine Änderung der Verhältnisse nicht ergeben habe, könne auch eine Aufhebung nicht erfolgen. Nach Wegfall des § 9 AlhiV aF ab 01.01.2002 bestehe zudem ein Anspruch auf Alhi für einen unbegrenzten Zeitraum solange nicht mehr, bis das vorhandene Vermögen tatsächlich verbraucht sei. Dies alles ...