Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. erneute Antragstellung nach Aufhebung einer Bewilligung. Bitte um Übersendung der Antragsformulare. Leistungsausschluss für Auszubildende. abstrakte Förderungsfähigkeit nach BAföG. Besuch einer Ausbildungsstätte. Ablehnung wegen Überschreitens der Förderungshöchstdauer. besonderer Härtefall

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Vorliegens eines neuen Leistungsantrages, wenn bereits ein (aufgehobener) Bewilligungsbescheid vorliegt.

 

Orientierungssatz

1. Ein Auszubildender besucht eine Ausbildungsstätte, solange er dieser organisationsrechtlich angehört und er die Ausbildung an der Ausbildungsstätte tatsächlich betreibt.

2. Ein besonderer Härtefall iS des § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 ist nur gegeben, wenn ein atypischer Lebenssachverhalt vorliegt, der es für den Auszubildenden auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses objektiv nicht zumutbar erscheinen lässt, seine Ausbildung zu unterbrechen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 12.04.2011 teilweise und der Bescheid des Beklagten vom 23.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Ablehnung der Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.03.2006.

Der 1977 geborene Kläger studierte nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Bankkaufmann seit 01.10.2000 Betriebswirtschaftslehre an der Universität A-Stadt. Gegenüber dem Beklagten gab er an, sein Studium am 31.12.2004 ab- bzw unterbrechen zu müssen. Daraufhin bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II ab 01.01.2005 (zuletzt mit Bescheid vom 02.12.2005 für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006). Nach Mitteilung der Universität A-Stadt, der Kläger sei dort seit dem Wintersemester 2000/2001 ununterbrochen eingeschrieben gewesen und habe am 17.02.2005 die Diplomvorprüfung bestanden, nahm der Beklagte mit Bescheid vom 06.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2006 die Bewilligung für die Zeit ab 01.01.2005 zurück und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen von insgesamt 8.860,18 €. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) mit Gerichtsbescheid vom 12.04.2011 abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt (Az: L 11 AS 401/11).

Am 28.02.2006 bat der Kläger, das Alg II wie bisher auszuzahlen. Mit Schreiben vom 06.03.2006 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.03.2006 ein und forderte die unverzügliche Auszahlung der Leistungen. Unter dem Betreff "Hier: Wiederholung des Widerspruches und Neuantrag auf Leistungen - Mahnung: Zusendung von Antragsformulare" bat der Kläger am 19.03.2006 um die "EIL-Zusendung" von Antragsformularen. Schließlich forderte er mit Schreiben vom 21.03.2006 unter demselben Betreff u.a. die "antragsgemäße Entscheidung der nahtlosen Weiter-Bewilligung". Mit Bescheid vom 23.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 lehnte der Beklagte die "Anträge vom 28.02.2006, 19.03.2006 und 21.03.2006" auf Alg II ab 01.03.2006 ab.

Am 02.07.2006 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen für die Zeit ab 01.07.2006. Hierüber ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Auf einen Antrag vom 09.04.2007 und nach Vorlage einer Exmatrikulationsbescheinigung zum 31.03.2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 24.09.2007 Alg II ab 09.04.2007.

Gegen die Ablehnung der Weiterbewilligung von Alg II ab 01.03.2006 hat der Kläger beim SG Klage erhoben. Er solle ab dem Sommersemester 2006 die Abschlussarbeiten erbringen. Ohne die Bewilligung von Alg II könne er den Abschluss nicht schaffen. Es drohe Arbeitslosigkeit auf längere Zeit. Bei einem anderen Leistungsträger bestünde kein Leistungsanspruch. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.04.2011 abgewiesen. Vom 01.03.2006 bis 08.04.2007 stehe dem Kläger kein Alg II zu. Sein Studium sei dem Grunde nach im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) förderfähig gewesen, womit der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II greife. Auch ein besonderer Härtefall, bei dem eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht komme, liege nicht vor. Es hätten noch wesentliche Vorbedingungen für den erfolgreichen Studienabschluss gefehlt. Ein zügiges kontinuierliches Studium lasse sich nicht erkennen. Der Kläger verfüge bereits über einen abgeschlossenen Beruf als Bankkaufmann.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Mit dem Leistungsausschluss solle nur ein doppelter Leistungsbezug vermieden werden. Alg II könne auch neben Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit bezogen werden. Ihm sei ...

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