Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht: Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Beschädigtenversorgung nach einem höheren Grad der Schädigung. Prüfungsrahmen des Gerichts bei einer Überprüfungsentscheidung. schädigungsfremder Nachschaden
Leitsatz (amtlich)
1. Als bei § 48 SGB X beachtliche Verschlimmerung kommen die Verschlimmerung anerkannter Schädigungsfolgen und das Auftreten weiterer Schädigungsfolgen nach der letzten bestandskräftigen Feststellung in Betracht.
2. Hat eine Behörde im Rahmen einer Entscheidung gem. § 44 SGB X darauf verzichtet, unter Hinweis auf die Bestandskraft früherer Entscheidungen eine erneute Sachprüfung abzulehnen, ist auch für das Gericht ein umfassender Prüfungsrahmen eröffnet.
3. Ein schädigungsfremder Nachschaden hat für die Höhe des GdS und die sich daraus ergebende Versorgung keine Bedeutung, selbst wenn er sich auf die Schädigungsfolgen dahingehend auswirkt, dass er die Auswirkungen der Schädigungsfolgen verstärkt.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem höheren Grad der Schädigung (GdS) als bisher hat.
Der im Jahr 1926 geborene Kläger wurde am 14.10.1944 bei der Ableistung seines Wehrdienstes durch Granatsplitter an beiden Beinen, beiden Armen und der Lunge verwundet.
Wegen seiner Kriegsbeschädigung bezieht er seit 1948 Versorgungsrente, zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - jetzige Bezeichnung: Grad der Schädigung - GdS) in Höhe von 50 v.H., seit 1951 nach einer MdE in Höhe von 60 v.H.
Im Bescheid vom 22.03.1989 waren die Schädigungsfolgen wie folgt formuliert worden:
1. Absetzung im rechten Mittelfuß, Bewegungseinschränkung im Fußgelenk, Muskelschwund im rechten Unterschenkel, reizlose Narben am rechten Oberschenkel und linken Unterschenkel, multiple Weichteilstecksplitter an beiden Oberschenkeln und Unterschenkeln und im Bereich der linken dorsalen Beckenwand
2. Gebrauchsunfähigkeit des 4. Fingers rechts. Teilverlust des 5. Fingers rechts. Multiple Weichteilstecksplitter im 2. - 4. Finger rechts
3. Lungenstecksplitter im linken Lungenoberlappen ohne Brustfellverwachsungen.
Anlässlich eines auf eine Verschlechterung der Gehfähigkeit gestützten Verschlimmerungsantrags des Klägers vom 09.11.2009 war der Kläger am 26.01.2010 versorgungsärztlich begutachtet worden. Dabei hatte der Kläger neben den im Vordergrund stehenden Gehbeschwerden unter anderem darüber berichtet, dass er seit einiger Zeit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr habe und diese auf Granatsplitter in der Nähe der Prostata oder im Hodensack zurückführe. Einen Grund für eine höhere Bewertung der Schädigungsfolgen hatte der Gutachter nicht gesehen; fragliche Granatsplitter im Bereich des äußeren Genitals könnten - so der Sachverständige - die Beschwerden des Klägers beim Geschlechtsverkehr wissenschaftlich nicht erklären.
Den Verschlimmerungsantrag hatte der Beklagte unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten mit Bescheid vom 17.02.2010 abgelehnt, dabei aber die Schädigungsfolgen zu Ziff. 1 am Anfang wie folgt neu formuliert:
"1. Absetzung in der rechten Fußwurzel (Chopart-Amputation), ..."
Dieser Bescheid war bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger seinen zunächst erhobenen Widerspruch zurückgenommen hatte.
Mit Schreiben vom 07.06.2012 hatte der Kläger erneut einen Verschlimmerungsantrag gestellt. Er hatte den Antrag damit begründet, dass er infolge eines Sturzes auf das Schultergelenk keine Krücken mehr verwenden könne. Dazu hatte er ein Attest der D-Klinik A-Stadt vom 15.05.2012 vorgelegt, wonach er am 06.01.2011 gestürzt sei und sich dabei eine Rotatorenmanschettenruptur des rechten Schultergelenks zugezogen habe. Im Rahmen einer körperlichen Untersuchung am 14.05.2012 habe der Kläger - so der Klinikbericht - über anhaltende Schmerzen in der rechten Schulter geklagt; eine eingeschränkte Beweglichkeit habe sich gezeigt.
Näher begründet worden war der Verschlimmerungsantrag durch den Kläger mit Schreiben vom 27.09.2012. Am 12.06.2012 habe er - so der Kläger - versucht, seinen PKW mit Baumschnitt zu beladen. Beim Abbrechen eines Holzastes mit beiden Händen habe er einen kurzen starken Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Es sei die Bizepssehne rechts gerissen. Infolgedessen könne er keine Gehstützen mehr verwenden. Darauf sei er jedoch angewiesen, um wenigstens ein paar Schritte gehen zu können. Er sei schädigungsbedingt auf eine Chopartprothese angewiesen.
Nach Befragung des versorgungsärztlichen Dienstes (Stellungnahme vom 22.10.2012) hatte es der Beklagte mit Bescheid vom 23.10.2012 abgelehnt, den Versorgungsanspruch des Klägers neu festzustellen.
Am 26.11.2012 beantragte der Kläger erneut eine Überprüfung bzw. Neufeststellung seines...