Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zuständigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung für zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Leistungsfall. Rechtswidrigkeit der Beauftragung anderer Gutachter auf der Grundlage des BMV-Z bzw EKV-Z
Leitsatz (amtlich)
1. Hat eine gesetzliche Krankenkasse einen zahnmedizinischen oder kieferorthopädischen Leistungsfall zu prüfen, ist für die Begutachtung ausschließlich der MDK zuständig.
2. Die Beauftragung anderer Gutachter auf der Grundlage des BMV-Z bzw EKV-Z verstößt gegen die gesetzliche Aufgabenzuweisung in § 275 Abs 1 SGB V und ist daher rechtswidrig.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.01.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, mit dem eine kieferorthopädische Behandlung abgelehnt wurde.
Mit dem am 29.05.2012 von Dr. med. dent. W. ausgestellten KFO-Behandlungsplan beantragte der im Jahr 2004 geborene Kläger eine kieferorthopädische Behandlung als Frühbehandlung bei einer KIG-Einstufung von K4.
Nach Anforderung eines Gutachtens der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern (KZVB) und Erstellung durch den Kieferorthopäden Dr.H., ..., lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 25.06.2012 ab. Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeholt.
Den mit Schreiben vom 17.07.2012 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 zurück. Derzeit liege keine KIG-Einstufung mit dem Grad 3 oder größer vor. Daher sei derzeit die kieferorthopädische Behandlung medizinisch nicht notwendig. Es bestünde aber durchaus die Möglichkeit, dass sich mit dem Durchbruch weiterer bleibender Zähne eine geänderte KIG-Einstufung ergeben könne.
Hiergegen hat sich die am 19.11.2012 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage gerichtet mit dem Begehren der Übernahme der Kosten für die beantragte kieferorthopädische Behandlung.
Nach Einholung eines Befundberichts von Dr. med. dent. W. hat der Kläger bei der Beklagten einen neuen (vom ursprünglichen Behandlungsplan abweichenden) KFO-Behandlungsplan vom 22.05.2013 eingereicht. Erneut hat die Beklagte kein Gutachten des MDK eingeholt. Diesem Behandlungsplan hat die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2013 nach Einholung eines Gutachtens des einvernehmlich bestellten Gutachters Dr. D., ..., mit Einschränkungen zugestimmt. Hierin hat sie jedoch kein Anerkenntnis, sondern eine Entscheidung infolge des Neuantrages aufgrund aktueller Kieferverhältnisse gesehen. Zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung hätten die Leistungsvoraussetzungen nicht vorgelegen.
Daraufhin hat der Kläger im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage beantragt festzustellen, dass die mit Bescheid vom 25.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2012 durch die Beklagte vorgenommene Ablehnung der kieferorthopädischen Behandlung des Klägers nach dem KFO-Behandlungsplan des Dr. med. dent. W. vom 29.05.2012 rechtswidrig war. Der Kläger habe wegen der mehr als einjährigen Verzögerung erhebliche Schmerzen erlitten, was zu massiven Beeinträchtigungen z.B. des Schlafes geführt habe. Er habe kaum essen können und sich nicht getraut, den Mund aufzumachen. Neben einem Druckgefühl und Kopfschmerzen sei eine Zyste dazugekommen, in deren Folge drei Zähne gezogen werden mussten. Daher würden ihm Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten zustehen. Er habe zur Vorbereitung eines entsprechenden Prozesses ein berechtigtes besonderes Interesse an der Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid rechtswidrig gewesen sei.
Daraufhin hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens auf kieferorthopädischem Fachgebiet. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. med. dent. A., Direktor der Universitätspoliklinik für Kieferorthopädie der Universität A. ist in seinem Gutachten nach Aktenlage zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Einstufung des Dr. med. dent. W. mit einem KIG-Grad von K4, P3 und M4 anhand der vorliegenden Modelle vom 25.05.2012 bestätigen lasse. Zwar habe die zweite Phase des Zahnwechsels noch nicht begonnen gehabt, jedoch habe ein Ausnahmefall vorgelegen. Die geplante kieferorthopädische Behandlung sei medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich gewesen.
Die Beklagte hat das Gutachten als nicht vertretbar bezeichnet. Es handele sich nicht um einen unabhängigen Sachverständigen. Sie hat hierzu eine Stellungnahme des Dr. H. vom 21.10.2014 vorgelegt. Es bestehe zwischen Dr. med. dent. W. und Prof. Dr. med. Dr. med. dent. A. eine wirtschaftliche Abhängigkeit. So halte der Sachverständige gelegentlich Kurse bei der u.a. von Dr. med. dent. W. geführten “XY„. Prof. A hat hierzu Stellung genommen und die...