Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfsmittel. Aktivrollstuhl. Doppelversorgung. Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Wirtschaftlichkeitsgebot

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Versicherter hat gegenüber der Krankenkasse i.d.R. keinen Anspruch auf Versorgung mit einem zweiten Aktivrollstuhl neben dem bereits vorhandenen Rollstuhl.

 

Normenkette

SGB V § 12 Abs. 1, § 33 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung des Klägers mit einem zweiten Aktiv-Rollstuhl (nunmehr: Adaptiv-Rollstuhl) streitig.

Der 1948 geborene Kläger leidet seit 1971 nach einem unverschuldeten Autounfall an Tetraplegie/Querschnittslähmung der Arme und Beine. Im September 2003 versorgte ihn die Beklagte mit einem Aktiv-Rollstuhl mit einem elektrischen Rollstuhlzuggerät.

Am 28.11.2005 beantragte der Kläger die Versorgung mit einem zweiten Aktiv-Rollstuhl (Kostenvoranschlag 2.378,61 EUR). Mit streitigem Bescheid vom 07.12.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Mit der vorhandenen Ausstattung sei die Mobilität im Innen- und Außenbereich sichergestellt. Eine Mehrfachausstattung sei nach dem Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht notwendig.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, das beantragte weitere Hilfsmittel sei dringend notwendig, da er je einen Rollstuhl für den Innen- und einen für den Außenbereich benötige. Die Sitzpositionen seien für Innen- und Außenbereich unterschiedlich. Zudem müsse jeweils der Radstand verändert werden. Der Widerspruch blieb mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2006 erfolglos.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Regensburg (SG) fristgerecht erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Leider sei es unmöglich, jedes Mal, wenn er das Haus verlasse, den Rollstuhl komplett umzuschrauben, was auch nur von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden sollte. Des Weiteren würden Sepsen an den wundgeriebenen Stellen, also den Händen verhindert, da diese nicht ständig im Kontakt mit den verschmutzen Rädern eines Außenrollstuhls kämen, sondern durch die Verwendung eines zweiten Rollstuhls für innen dies ausgeschlossen werden könne (der Kläger hat von der Beklagten bereits spezielle Handschuhe erhalten).

Mit Urteil vom 18.10.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und sich der Auffassung unter Bezug auf die Hilfsmittelrichtlinien der Beklagten angeschlossen. Der Kläger sei hinsichtlich des Grundbedürfnisses "Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums" von der Beklagten bereits mit einem Rollstuhl und einem elektrischen Rollstuhlzuggerät versorgt. Es seien keine Gründe erkennbar, dass die Versorgung mit einem zweiten Rollstuhl, damit ein Rollstuhl ausschließlich im Außen- und der andere ausschließlich im Innenbereich benutzt werden könne, zu Lasten der Krankenversicherung erfolgen sollte.

Gegen das Urteil vom 18.10.2007 richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung. Im Wesentlichen wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Aufgrund der unterschiedlichen Lebensbereiche, in denen die Rollstühle unterschiedlicher Bauart eingesetzt würden, handle es sich nicht um eine Doppelversorgung im klassischen Sinn. Der streitgegenständliche Rollstuhl komme nämlich nur im Außenbereich zum Einsatz. Durch ihn werde ihm dieser Lebensbereich qualitativ neu erschlossen, weil er sich damit unabhängiger bewegen könne.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2008 erklärte die Vertreterin der Beklagten, die vorhandene elektrische Zugvorrichtung sei dazu gedacht, einer schiebenden Person die Arbeit zu erleichtern. Ein Rollstuhl werde in der Regel so angepasst, dass der Versicherte damit im Innen- und Außenbereich unterwegs sein könne. Von Nachbesserungen des 2003 gelieferten Rollstuhls sei ihr nichts bekannt.

Die Vertreterin des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 18.10.2007 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 07.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit einem zweiten Adaptiv-Rollstuhl zu versorgen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere könne nach Meinung der Orthopädiefachkraft bei jedem Aktivrollstuhl (= Adaptivrollstuhl) der Randstand verändert werden, der Schwerpunkt also nach hinten verlagert werden, um so eine Kippgefahr zu vermeiden. Eine unterschiedliche Einstellung für den Innen- und Außenbereich - wie vom Kläger beschrieben - sei nicht nachvollziehbar und würde keine erkennbaren Vorteile bringen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die b...

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