Entscheidungsstichwort (Thema)
MdE. Schwerhörigkeit im Alter nach einem im Krieg erlittenen Explosionstrauma. ursächlicher Zusammenhang
Orientierungssatz
Die Progredienz einer Schwerhörigkeit nach einem Explosionstrauma kann nach der zu beachtenden medizinischen Lehrmeinung nur dann auf das Trauma ursächlich zurückgeführt werden, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis eingetreten ist. Wenn die Hörstörung über viele Jahre konstant war und dann erst (meist in fortgeschrittenem Alter) zunimmt, so spricht dies gegen einen Zusammenhang.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger ein eingeschränktes Hörvermögen rechts auf die nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannte Schädigungsfolge ("Innenohrschädigung rechts") zurückzuführen und eine Rente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 60 v.H. zu gewähren ist.
Der 1924 geborene Kläger stellte erstmals am 20.05.1955 nach seiner Übersiedlung aus der damaligen DDR Antrag auf Versorgung nach dem BVG wegen eines im Krieg erlittenen Explosionstraumas. Der Beklagte holte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. L. vom 12.02.1957 und des Facharztes für HNO-Krankheiten Dr. R. vom 12.02.1957 ein und stellte mit Bescheid vom 23.04.1957 als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung mit einer MdE von 60 v.H. fest:
1. Splitterverletzung in der linken Ohrgegend mit Verdacht auf Hirnprellung und Restfazialisparese links.
2. Praktische Taubheit nach Radikal-Operation links mit Entstellung der linken Ohrmuschel durch eine durchgemachte Ohrknorpelentzündung, Schädigung des Gleichgewichtsapparates links, Innenohrschädigung rechts.
Verschlimmerungsanträge des Klägers vom 08.06.1961, 24.01.1979 und 03.12.1986 lehnte der Beklagte - jeweils nach Einholung von Gutachten des HNO-Arztes Dr. H. W. M. vom 26.06.1961 bzw. 04.06.1980 und 29.06.1987 - ab. Er bezeichnete jedoch mit Bescheid vom 07.08.1987 die Schädigungsfolgen zu Ziff. 1 bei einer gleichbleibenden MdE von 60 v.H. wie folgt:
Hirnleistungsschwäche nach kontusioneller Hirnschädigung, Restfazialisparese links nach Splitterverletzung in der linken Ohrgegend.
Am 23.10.1992 beantragte der Kläger wiederum eine Neufeststellung seiner Schädigungsfolgen wegen eines reduzierten Hörvermögens rechts. Der Beklagte lehnte nach Einholung von Gutachten des HNO-Arztes Dr. N. und des Nervenarztes Dr. B. vom 22.12.1992 eine Neufeststellung mit Bescheid vom 26.02.1993 ab. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.05.1993).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger beantragt, eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen und eine höhere MdE als 60 v.H. anzuerkennen. Das SG hat ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. L. D. vom 30.03.1994 eingeholt. Dieser hat die Zunahme der Schwerhörigkeit rechts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für wehrdienstschädigungsfremd gehalten. Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 12.07.1994 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat sich gegen das Gutachten des Dr. L. D. gewandt und gebeten, HNO-ärztliche Unterlagen der Universitätsklinik J. beizuziehen. Der vom Senat gehörte Prof. Dr. J. H. (Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik W.) hat im Gutachten vom 07.04.1997/25.08.1997 angenommen, daß ein beträchtlicher Anteil der heutigen Einschränkung des Hörvermögens rechts auch mit durch den Kriegsschaden bedingt sei, jedoch eine genaue Differenzierung des schadensbedingten Anteils nicht möglich sei. Eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der 1957 anerkannten Gesamt-MdE von 60 v.H. hat er verneint. Der Beklagte hat vorgetragen, die Auffassung des Prof. Dr. J. H., die progrediente Schwerhörigkeit rechts sei im wesentlichen durch die Schädigungsfolgen verursacht, entspreche nicht der medizinischen Lehrmeinung (Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. N. vom 12.05.1997). Der Kläger hat gerügt, daß das Sachverständigengutachten nicht von Prof. Dr. J. H., sondern von einem Mitarbeiter der Klinik, Priv. Doz. Dr. R. H., erstellt worden sei. Der Sachverständige hat hierzu erklärt, daß er am Tag der Untersuchung des Klägers verhindert gewesen sei, den Untersuchungsbefund und die Vorstellung des Patienten persönlich entgegenzunehmen. Aus diesem Grund sei die gesamte Untersuchung des Klägers durch den ständigen Stellvertreter des Klinikdirektors, Dr. R. H., erfolgt. Wie die Unterschrift am Ende des Gutachtens belege, habe sich der Klinikdirektor über das Gutachten persönlich informiert und durch das Gegenzeichnen auch den Inhalt uneingeschränkt akzeptiert. Die im Gutachten ausgedrückte Beurteilung entspreche der persönlichen Beurteilung des Klinikdirektors Prof Dr. J. H.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 12.07.1994 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 26.02.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.05.1993 zu verurteilen, bei ihm a...