nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 29.06.1993; Aktenzeichen S 16 V 96/89) |
Tenor
i. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.06.1993 und der Bescheid vom 05.04.1989 aufgehoben.
ii. Der Beklagte wird verpflichtet, beim Kläger als weitere Schädigungsfolgen eine an Taubheit grenzende Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts und subjektiv störende Ohrgeräusche anzuerkennen und Versorgungsleistungen ab 01.01.1984 nach einer MdE um 90 vH sowie ab 01.01.1997 nach eine MdE um 100 vH zu gewähren.
iii. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
iv. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob weitere Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anzuerkennen sind und Beschädigtenversorgung nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 70 vH zu gewähren ist.
Der am 1926 geborene Kläger leistete ab 01.01.1944 Kriegsdienst. Vom 10.05.1945 bis 04.10.1947 befand er sich in russischer Kriegsgefangenschaft. Der Beklagte anerkannte mit Umanerkennungsbescheid vom 19.04.1951 als Schädigungsfolgen:
1. Lungentuberkulose links
2. Tbc des XII. Brustwirbels und des I. Lendenwirbels
3. durchgemachte Mittelohrentzündung links
4. abgeheilte Dystrophie,
und gewährte Versorgung nach einer MdE um 100 vH.
Zuletzt waren beim Kläger mit Bescheid vom 15.11.1983 als Schädigungsfolge mit einer MdE um 70 vH anerkannt:
1. Taubheit links bei Zustand nach Tympanoplastik links nach chronischer Mittelohreiterung (Einzel-MdE 15 vH)
2. inaktive Lungen-Tbc mit Rippelfellschwarte links (Einzel-MdE 30 vH)
3. Spanversteifung des XII. Brustwirbels und I. Lendenwirbels nach Wirbel-Tbc (Einzel-MdE 50 vH).
Einen Antrag auf Neufeststellung vom 09.08.1988 lehnte der Beklagte nach HNO-ärztlicher und orthopädischer Begutachtung (Gutachten Dr. vom 03.03.1989 und Dr. vom 21.02.1989) mit Bescheid vom 05.04.1989 ab.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger eine Rente nach einer MdE um 100 vH begehrt. Er hat eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen geltend gemacht und als weitere Schädigungsfolgen iS der Entstehung die Anerkennung eines "hochgradigen, progredienten Innenohrschadens rechts, Gleichgewichtsstörung links, Tinnitus beidseits, Verkrampfung der Muskulatur im Bereich beider Beine, spinale Stenose" sowie als Schädigungsfolge iS der Verschlimmerung "Degeneration der unteren Halswirbelsäulen-Segmente" begehrt. Das SG hat Prof. Dr. (HNO-ärztliches Gutachten vom 25.07.1990/12.05.1993), Dr. (orthopädisches Gutachten vom 05.10.1990), Dr. (internistisches Gutachten vom 22.01.1991), Dr. (orthopädisches Gutachten vom 25.01.1993/08.03.1993) sowie gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. (HNO-ärztliches Gutachten vom 22.07.1991), Dr. (orthopädisches Gutachten vom 21.02.1992), Dr. (internistisches Gutachten vom 10.08.1992) gehört. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch die HNO-Ärztin Dr. erstmals anamnestisch angegeben, nach einer Luftminenexplosion 1944 Ohrenschmerzen und beidseitigen Hörverlust verspürt zu haben sowie während der Kriegsgefangenschaft als Sprengmeistergehilfe über einen Zeitraum von ca einem dreiviertel Jahr Sprengungen ohne Gehörschutz ausgesetzt gewesen zu sein. Bereits 1947 habe er eine beidseitige Hörverschlechterung und einen beidseitigen Tinnitus festgestellt.
Mit Urteil vom 29.06.1993 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.04.1989 verurteilt, die orthopädische Schädigungsfolge als "Schwerste Störung der Statik der Wirbelsäule nach Spanversteifung des XII. Brustwirbels und I. Lendenwirbels nach Wirbelsäulen-Tbc" neu zu bezeichnen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und eine Verschlimmerung der orthopädischen Schädigungsfolge in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. und Dr. verneint. Auf HNO-ärztlichem Gebiet ist es dem Sachverständigen Prof. Dr. gefolgt, der eine Verschlimmerung der Schädigungsfolge zu 1. verneint sowie die Schwerhörigkeit rechts für schädigungsfremd gehalten hat. Der Auffassung der HNO-Ärztin Dr. die Hörstörung rechts sei durch die Lärmbelastung als Pilot im 2. Weltkrieg, einer Bombenexplosion 1944, Lärmeinwirkungen während der Kriegsgefangenschaft durch Sprengungen in Kohlestollen sowie durch die in der Kriegsgefangenschaft erlittene Dystrophie entstanden, hat es sich nicht angeschlossen.
Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und geltend gemacht, die anerkannte "Schwerste Störung der Statik der Wirbelsäule" erfasse nicht den gesamten anatomischen Veränderungsumfang der Wirbelsäule. Ferner bestehe auf internistischem Gebiet neben der abgeheilten Lungen-Tbc eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung. Auch die Hörstörung rechts sei ursächlich auf Kriegseinflüsse zurückzuführen.
Der Senat hat zunächst von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. ein Gutachten vom 11.07.1995 eingeholt. Dieser hat als mittelbare Schädigungsfolge der durchgeführten Versteifungsoperation eine Spinalka...