Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. Versicherungspflicht. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Verwandtschaftsverhältnis. Gefälligkeitshandlung. familiäre Mitarbeit. Umfang der Hilfeleistung. Gesamtbild
Orientierungssatz
1. Zum Nichtvorliegen der Beitragspflicht eines privaten Bauherrn für seinen minderjährigen und im Haushalt lebenden Sohn gem § 150 Abs 1 S 1 SGB 7, wenn dieser bei der in Eigenregie ausgeführten und acht Monate andauernden Baumaßnahmen sporadisch und unentgeltlich mit einem Stundenumfang von 260 Stunden bzw mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 8 Stunden im Rahmen der familienhaften Mithilfe tätig geworden ist.
2. Ein Verwandter wird nicht wie ein Beschäftigter, sondern als Verwandter tätig, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art und Umfang sowie Zeitdauer durch das verwandtschaftliche Verhältnis geprägt ist. Dabei ist nicht allein auf die Stundenzahl abzustellen, da es keine feste Stundengrenze gibt; vielmehr ist das Gesamtbild der gegenseitig im Rahmen der Familien- oder Freundschaftsbande geleisteten Gefälligkeiten maßgebend. Zu berücksichtigen ist insofern, dass für das Eltern-Kind-Verhältnis besondere Pflichten (§ 1618a BGB) bestehen, die eine erhöhte Erwartung an die Hilfsbereitschaft rechtfertigen.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Heranziehung des Klägers zur Beitragszahlung bzw. die Rückerstattung geleisteter Beiträge in Höhe von 567,69 EUR.
Der Kläger errichtete in der Zeit von August 2004 bis August 2005 ein Einfamilienwohnhaus. Als private Helfer meldete dieser am 16. September 2005 sich, seine Ehefrau E. M. und seinen 1987 geborenen Sohn J. M., letzteren mit insgesamt 260 Arbeitsstunden für Trockenbau-, Fließen- und Bodenarbeiten. Am 30. September 2005 erließ die Beklagte einen Beitragsbescheid für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von 567,69 EUR, bezogen auf 260 Arbeitsstunden. Der Kläger zahlte den Betrag, erhob jedoch zugleich Widerspruch. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit seinem Sohn habe nicht vorgelegen. Auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit scheide aus, da die Hilfeleistungen durch den Sohn nur sporadisch je nach dessen Leistungsmöglichkeit und Anfall erbracht worden seien. Dabei habe der Sohn im Wesentlichen eine eigene Angelegenheit betrieben, da es in seinem eigenen, wirtschaftlichen Interesse gelegen habe, sich eine kostenlose Wohnmöglichkeit zu verschaffen. Er habe ein eigenes Zimmer in dem Haus. Ohne die Eigenleistungen wäre die gesamte Familie nicht in der Lage gewesen, sich ein Haus zu bauen. Weder der Sohn noch die Eltern hätten aber die erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten gehabt, um die Arbeiten durchzuführen. Ein Bauleiter der Fertighausfirma sei vor Ort gewesen und hätte die Familienangehörigen für ihre Tätigkeiten eingewiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007 zurück. Insbesondere hätten die vom Sohn des Klägers geleisteten 260 Arbeitsstunden nach Art, Umfang und Zeitdauer den Rahmen verwandtschaftlicher Gefälligkeit überschritten. Er sei nach § 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) versichert gewesen.
Mit der Klage zum Sozialgericht Regensburg begehrte der Kläger die Aufhebung des Beitragsbescheides und die Rückerstattung von 567,69 EUR. Die Eigenarbeiten seines Sohnes seien aus eigenem wirtschaftlichen Interesse erfolgt und stellten keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit dar. Das Sozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2007 den Sohn im Wege der uneidlichen Einvernahme als Zeugen. Auf die Niederschrift der Sitzung wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 28. August 2007 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2007 auf. Der Sohn sei bei der Baumaßnahme im Rahmen einer familienhaften Mithilfe tätig geworden. Ein Handeln im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VII liege nicht vor. Zum einen sei dessen Handeln wesentlich von eigenen Interessen getragen gewesen. Es sei darauf gerichtet gewesen, sich wiederum eine eigene Wohnstatt zu schaffen, in der er mietfrei wohnen konnte. Von der Familie seien nur Maßnahmen, die der Verschönerung bzw. dem angenehmeren Leben im Haus dienen, erbracht worden. Diese Vorgehensweise entspreche einer zunehmend "sozialen Adäquanz". Es sei nicht um die Substanzbeschaffung, sondern um eine "Vervollkommung" des geschaffenen Objekts gegangen. Die Festlegung einer bestimmten Stundenzahl als Kriterium für die Annahme oder Nichtannahme einer familienhaften Mithilfe erscheine willkürlich. Im Übrigen könnten bei Eltern-Kind-Beziehungen auch Tätigkeiten von erheblichem Umfang und größerer Zeitdauer diesem Verhältnis ihr Gepräge geben.
Hiergegen hat ...