Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Landespflegegeld. Rückforderung nach Tod des Berechtigten. entsprechende Anwendung von § 118 Abs 4 SGB 6. keine Übergangsfähigkeit im Wege der Sonderrechtsnachfolge. Nichtvererblichkeit. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Das Landespflegegeld ist wegen seines höchstpersönlichen Charakters nicht im Wege der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 Abs 1 SGB I) übergangsfähig.
2. Ein Rückforderungsanspruch des Bayerischen Landesamts für Pflege nach Art 4 Abs 2 BayLPflGG (juris: PflGG BY) iVm der entsprechenden Anwendung des § 118 Abs 4 SGB VI setzt nicht voraus, dass das nach dem Tod eines Berechtigten ausgezahlte Landespflegegeld "für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten" erbracht worden ist.
Orientierungssatz
Art 2 Abs 4 S 3 BayLPflGG regelt ausdrücklich, dass der Anspruch auf Landespflegegeld nicht vererblich ist. Dieser Ausschluss der Vererblichkeit verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen das durch Art 103 Abs 1 Bayerische Verfassung (juris: Verf BY 1998) und Art 14 Abs 1 GG gewährleistete Erbrecht.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. März 2022 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 30. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2021 abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von ausgezahltem bayerischem Landespflegegeld.
Der Kläger und Berufungsbeklagte ist der Sohn der 1927 geborenen und am 14.11.2020 verstorbenen M (im Folgenden: Pflegebedürftige). Diese bezog ab dem 02.09.2020 Leistungen der Pflegeversicherung entsprechend dem Pflegegrad 3.
Am 24.10.2020 beantragte die Pflegebedürftige beim Beklagten und Berufungskläger Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG). Sie verstarb am 14.11.2020. Einziger Erbe ist der Kläger, der mit seiner Mutter im Zeitpunkt ihres Todes weder in einem gemeinsamen Haushalt lebte noch von ihr unterhalten worden war.
Mit Bescheid vom 20.11.2020 bewilligte der Beklagte für die Pflegebedürftige das beantragte Landespflegegeld ab dem Pflegegeldjahr 2019/2020 (01.10.2019 - 30.09.2020).
Nachdem eine Melderegisterprüfung am 28.03.2021 ergeben hatte, dass die Pflegebedürftige am 14.11.2020 verstorben war, forderte der Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2021 die C Bank auf, das nach dem Tod der Pflegebedürftigen ausbezahlte Landespflegegeld in Höhe von 1000 € zu erstatten. Die C Bank teilte mit Schreiben vom 14.04.2021 mit, dass das Konto keine entsprechende Deckung mehr aufweise. Die Zahlung des Beklagten sei am 20.11.2020 auf dem Konto der Pflegebedürftigen eingegangen und taggleich per Überweisung an den Kläger als Zahlungsempfänger verfügt worden.
Mit Bescheid vom 30.08.2021 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung des am 20.11.2020 ausbezahlten Landespflegegeldes gemäß Art. 4 Abs. 2 BayLPflGG in Verbindung mit § 118 Abs. 4 SGB VI. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2021 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 04.11.2021 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und geltend gemacht, dass der Tod seiner Mutter nicht zum Erlöschen des Anspruchs und zum Wegfall des Rechtsgrundes für die Auszahlung geführt habe. Gemäß § 59 Satz 2 SGB I würden Ansprüche auf Geldleistungen nur erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Im Zeitpunkt des Todes der Leistungsberechtigten sei jedoch ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen. Der Rechtsgrund aus der früheren Bewilligung bestehe fort. Zudem läge ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie gegen das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip vor, wenn der Anspruch auf Auszahlung von der Zufälligkeit abhänge, ob die Behörde den Betrag vor dem Versterben des Betroffenen bereits ausgezahlt habe oder nicht.
Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Anspruch auf Landespflegegeld mit dem Tod der Anspruchsberechtigten am 14.11.2020 untergegangen sei, da der Anspruch nach Art. 2 Abs. 4 Satz 3 BayLPflGG nicht vererblich sei. Ein Rechtsgrund sei auch nicht durch den Bescheid vom 20.11.2020 gegeben, da der Bescheid gem. § 39 Abs. 1 SGB X mangels Bekanntgabe nicht wirksam geworden sei.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 16.03.2022 stattgegeben und den Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2021 aufgehoben. Die Erstattung von Landespflegegeld könne nicht auf Art. 4 Abs. 2 BayLPflGG in Verbindung mit § 118 Abs. 4 SGB VI gestützt werden. Die Vorschrift des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sei in der entsprechenden Anwendung gemäß Art. 4 Abs. 2 BayLPflGG so zu lesen, dass die Erstattungspflicht nicht gegenüber dem Träger der Rentenversicherung, sondern gegenüber dem Freistaat Bayern bestehe. Dagegen setze § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI auch in der entspre...