Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Landespflegegeld. rückwirkende Ausbezahlung für die Zeit vor dem Tode des Leistungsberechtigten. keine Rückforderung in entsprechender Anwendung des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
§ 118 Abs 4 S 1 SGB VI setzt auch in der entsprechenden Anwendung gemäß Art 4 Abs 2 BayLPflGG (juris: PflGG BY) voraus, dass Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind. Der Verweis des Art 4 Abs 2 BayLPflGG auf § 118 Abs 3 bis 4a SGB VI stellt eine Rechtsgrund- und keine bloße Rechtsfolgenverweisung dar. Deshalb kann die Vorschrift nicht auf solche Fälle entsprechend angewendet werden, in denen Landespflegegeld nach dem Tode des Berechtigten für ein noch zu Lebzeiten des Berechtigten abgeschlossenes Pflegegeldjahr rückwirkend ausbezahlt worden ist, nachdem der Anspruch durch den Tod des Berechtigten wegen Nichtvererblichkeit (Art 2 Abs 4 S 3 BayLPflGG) erloschen war.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 30.08.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2021 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung von ausgezahltem Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) unter entsprechender Anwendung von § 118 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Die inzwischen verstorbene, 1927 geborene Leistungsberechtigte M4. bezog ab dem 02.09.2020 Leistungen der Pflegeversicherung entsprechend dem Pflegegrad 3 (Bescheid der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten vom 13.10.2020).
Am 24.10.2020 beantragte die Leistungsberechtigte beim Landesamt für Pflege des Beklagten Landespflegegeld nach dem BayLPflGG.
Am 14.11.2020 verstarb die Leistungsberechtigte. Sie hinterließ ihren Sohn, den Kläger des vorliegenden Rechtsstreits, als einzigen Erben. Mit diesem hatte sie im Zeitpunkt ihres Todes weder in Haushaltsgemeinschaft gelebt, noch war dieser von ihr unterhalten worden.
Am 20.11.2020 erließ das Landesamt für Pflege einen an die Leistungsberechtigte adressierten Bescheid, mit dem dieser Landespflegegeld nach dem BayLPflGG ab dem Pflegegeldjahr 2019/2020 bewilligt wurde. Die Auszahlung werde einmal jährlich auf das angegebene Konto erfolgen. Dieser Bescheid gelangte dem Kläger bei der Durchsicht der Post seiner verstorbenen Mutter zur Kenntnis.
Der Betrag von 1000 € wurde ebenfalls am 20.11.2020 auf das Konto der verstorbenen Leistungsberechtigten bei der C. Bank überwiesen. Von dort überwies es der Kläger noch am selben Tag auf sein eigenes Konto, weil er das Konto seiner verstorbenen Mutter so schnell wie möglich auflösen wollte.
Mit Schreiben vom 01.04.2021 forderte das Landesamt für Pflege die C. Bank auf, das nach dem Versterben der Leistungsberechtigten ausbezahlte Landespflegegeld in Höhe von 1000 € zu erstatten.
Die C. Bank teilte darauf mit Schreiben vom 14.04.2021 mit, dass das Konto keine entsprechende Deckung mehr aufweise. Die Zahlung sei am 20.11.2020 auf dem Konto der Leistungsberechtigten eingegangen und taggleich per Überweisung an den Kläger als Zahlungsempfänger verfügt worden.
Am 30.08.2021 erließ der Beklagte, vertreten durch das Landesamt für Pflege, gegenüber dem Kläger einen auf Art. 4 Abs. 2 BayLPflGG in Verbindung mit ein § 118 Abs. 4 SGB VI gestützten Bescheid, wonach der Kläger das am 20.11.2020 ausbezahlte Landespflegegeld in Höhe von 1000 € zu erstatten habe.
Dagegen legte der Kläger am 07.09.2021 Widerspruch ein, den das Landesamt für Pflege mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2021 als unbegründet zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 04.11.2021 Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Tod der Leistungsberechtigten nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs und zum Wegfall des Rechtsgrundes für die Auszahlung geführt habe. Eine gesetzliche Regelung, dass der entstandene Anspruch mit dem späteren Tod des Berechtigten erlösche, finde sich im Gesetz nicht. In Art. 2 Abs. 4 Satz 3 BayLPflGG sei lediglich geregelt, dass der Anspruch nicht abtretbar, nicht pfändbar nicht vererblich sei. Das sei zu unterscheiden vom Begriff des Erlöschens eines Anspruchs. Das Erlöschen von Sozialleistungsansprüchen sei in § 59 SGB I geregelt. Gemäß § 59 Satz 2 SGB I würden Ansprüche auf Geldleistungen nur erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Im Zeitpunkt des Todes der Leistungsberechtigten sei jedoch ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen. Somit sei es nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs gekommen. Der Rechtsgrund aus der früheren Bewilligung bestehe fort.
Weiter ist der Kläger der Auffassung, dass es jedenfalls einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie gegen das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip bedeute, wenn der Anspruch auf Auszahlung von der Zufälligkeit abhänge, ob die Behörde den Betrag vor dem Versterben des Betroffenen bereits ausgezahlt habe oder ...