nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 21.11.1997; Aktenzeichen S 1 Bl 32/95)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.07.2005; Aktenzeichen B 9a BL 1/05 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.11.1997 und der Bescheid des Beklagten vom 27.01.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.11.1995 aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.11. 1994 Zivilblindenpflegegeld und ab 01.04.1995 Blindengeld zu gewähren.

III. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung eines Pflegeldes an Zivilblinde (Zivilblindenpflegegeldgesetz - ZPflG -) bzw. nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) zustehen.

Der 1993 geborene Kläger beantragte am 26.11.1994 beim Beklagten, ihm Zivilblindenpflegegeld zu gewähren.

Der Beklagte zog Berichte des Augenarztes Dr.P. vom 23.12.1994 und des Neuropädiaters Dr.L. vom 23.03.1994 bei und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Augenarztes Dr.S. vom 04.01.1995 ein. Dr.S. vertrat die Auffassung, Blindheit sei beim Kläger, der entsprechend dem Bericht des Dr.L. an einer symptomatischen Epilepsie mit tonischen Anfällen bei Zustand nach extremer Frühgeburt leide, zurzeit nicht nachweisbar.

Mit Bescheid vom 27.01.1995 lehnte es der Beklagte ab, dem Kläger Leistungen nach dem ZPflG zu gewähren.

Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem vorgetragen wurde, dieser reagiere nur auf Helligkeit ohne zu fixieren, zog der Beklagte Berichte des Prof.Dr.B. (Augenklinik der Universität M.) vom 22.03./24.10.1995 bei. Danach fixiere der Kläger nicht, eine Pupillenreaktion sei jedoch beidseits - allerdings verzögert - nachweisbar; Folgebewegungen seien nicht auslösbar; es bestehe eine schwere Sehminderung, die sicher durch eine partielle Optikusatrophie mitverursacht werde, zum größeren Teil aber auf die zentrale Störung zurückzuführen sei.

Dr.S. vertrat in einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.09.1995 die Auffassung, die Voraussetzungen für die Gewährung von Zivilblindenpflegegeld seien nach wie vor nicht bewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.1995 wies der Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und beantragt, ihm ab 01.11.1994 Zivilblindenpflegegeld bzw. ab 01.04.1995 Blindengeld nach dem BayBlindG vom 07.04.1995 zu gewähren: Er sei in der Lage, aufgrund von Geräuschen innerhalb seines Griffbereichs nach Gegenständen zu greifen, wobei suchende Bewegungen stattfänden. Die Augen seien bei diesem Greifverhalten nicht beteiligt. Auf Gegenstände aller Art, die geräuschlos in seinen Griffbereich gelangten, finde keine Reaktion statt. Es liege folglich offensichtlich Blindheit vor, die ihre Ursache in der Verarbeitung der optischen Reize habe. Der Kläger hat hierzu eine Bescheinigung der Dr.K. vom 12.12.1995 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die einschlägige Zivilblindenpflegegeld- Akte des Beklagten sowie einen Befundbericht des Dr.P. vom 16.01.1996 beigezogen und von Amts wegen ein von Privatdozent Dr.L. (Augenklinik der Technischen Universität M.) am 31.07.1996 erstattetes Gutachten eingeholt. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, aufgrund klinischer Erfahrungen sei die zentrale Sehfunktion des besseren rechten Auges auf ca. 0,05 bis 0,1 einzuschätzen. Gesichtsfeldbefunde seien dabei allerdings nicht berücksichtigt, da selbst bei der sehr groben Konfrontationsperimetrie keine reproduzierbaren Reaktionen hätten festgestellt werden können. Aufgrund der erheblichen zentralen Funktionsstörung, zu der es beim Kläger aufgrund einer intrauterinen oder auch intraportalen Minderperfusion (Asphyxie) gekommen sei, könne dieser die innerhalb der primären Sehrinde nachweisbaren visuellen Reize nicht weiter verarbeiten. Obwohl auch im Bereich des Sehnervenkopfes Schäden festzustellen seien, sei die Ableitung von VECP s möglich gewesen. Dies bedeute, dass eine deutliche Reizweiterleitung bis zur primären Sehrinde erfolge und Blindheit innerhalb der primären Sehbahnen nicht gegeben sei. Blindheit im Sinne des ZPflG liege somit nicht vor.

Der Beklagte hat sich hierzu unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Dr.L.) vom 12.09.1996, der Kläger mit Schreiben vom 08.01.1996 geäußert.

In einem weiteren, auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) am 24.03.1997 erstatteten Gutachten hat Prof.Dr.B. (Augenklinik der Universität M.) die Auffassung vertreten, aufgrund des morphologischen Befundes (beidseitige Opticusatrophie) sowie des Verhaltens des Klägers (keine Fixation von Licht oder Gegenständen) sei von einer schweren Sehminderung auszugehen, die einer Erblindung im Sinne des Gesetzes gleichkomme. Eine klare quantative Einstufung des potentiellen Sehvermögens lasse sich - anders als der Sachverständige Privatdozent Dr.L. meine - mittel...

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