Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Elterngeld im Erholungsurlaub. Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit. Anrechnung des Urlaubsentgelts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG, das Nichtausüben einer Erwerbstätigkeit, erfüllt auch, wer ohne weitere elterngeldschädliche Tätigkeit in einem bestehenden Arbeitsverhältnis Erholungsurlaub in Anspruch nimmt.
2. Das hierfür gezahlte Urlaubsentgelt ist als Einkommen im Bezugszeitraum anzurechnen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.12.2012 abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 07.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2009 Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat seines am 03.03.2008 geborenen Kindes in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger 1/6 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Der Kläger ist Vater von E., geboren am 03.03.2008. Für E. bezog zunächst die Ehefrau des Klägers Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat. Mit Antrag vom 14.03.2009 (beim Beklagten eingegangen am 05.05.2009) beantragte der Kläger Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat von (03.03.2009 bis 02.05.2009). Dabei gab er an, dass er im Bezugszeitraum Erholungsurlaub in Anspruch nehmen werde. Im Nachgang zu seinem Antrag legte er eine vom 08.06.2009 datierende Bestätigung über die Inanspruchnahme von Elternzeit im Zeitraum 03.03.2009 bis 03.05.2009 vor. Aus den ebenfalls vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen für März und April 2009 ergab sich für den Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 5.993,77 €. Fernmündlich wurde klarstellend am 07.07.2009 ergänzt, der Kläger habe sich nicht direkt in Elternzeit befunden, sondern Urlaub aus dem Vorjahr genommen, pro Monat 20 Tage Urlaub aus Vollzeittätigkeit mit entsprechender Bezahlung.
Mit Bescheid vom 07.07.2009 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Elterngeld ab. Der Bezug von Elterngeld setze nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG voraus, dass der Antragsteller keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübe. Letzteres sei der Fall, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Stunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteige (§ 1 Abs. 6 BEEG). Als tatsächliche Arbeitszeit zählten auch Zeiten, in denen Erwerbseinkommen ohne Arbeitsleistung bezogen werde, wie etwa bei Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, am Wochenende, bei Feiertagen oder im Erholungsurlaub. Für solche Zeiten gelte als Arbeitszeit die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Ein Anspruch des Klägers bestehe daher nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2009 zurück.
In seiner Klage zum Sozialgericht München führte der Kläger aus, der Erholungsurlaub sei kein aktueller Erholungsurlaub, sondern Resturlaub aus den Jahren 2006 - 2008. Dies stünde nicht im Zusammenhang mit der Elternzeit. Sofern dieser Resturlaub als Vollzeittätigkeit gewertet würde, stünde er schlechter als Personen, die während der Elternzeit einer reduzierten Beschäftigung nachgingen.
Mit Urteil vom 11.12.2012 gab das Sozialgericht München der Klage statt und verurteilte den Beklagten, dem Kläger Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat in Höhe von 1800 € monatlich ohne Anrechnung des Einkommens aus der Bezahlung des Erholungsurlaubs zu gewähren. Zwar entspreche nach den die Verwaltung bindenden "Richtlinien zum BEEG" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Stand: Dezember 2010, 1.6.1.) Erholungsurlaub, dem eine mehr als 30-stündige Erwerbstätigkeit zu Grunde liege, einer den Elterngeldanspruch ausschließenden vollen Erwerbstätigkeit. Diese Rechtsauffassung entspreche auch der inhaltsgleichen Vorschrift des für Geburten bis zum 31.12.2006 gültigen Bundeserziehungsgeldgesetzes. Das Bundessozialgericht habe sich aber nun zur Auslegung des Begriffs des Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit in seinem Urteil vom 29.08.2012 (Aktenzeichen B 10 EG 7/11 R) geäußert. Der Entscheidung habe ein Fall zu Grunde gelegen, in dem die Klägerin aufgrund einer Freistellung von der Arbeitsleistung durch ihren Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ihrer Arbeit tatsächlich nicht nachgegangen sei. Das Bundessozialgericht habe in diesem Urteil ausgeführt, dass schon der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG ("keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt") nahe lege, dass das Gesetz ein tatsächliches, aktives Verhalten des Anspruchsstellers beschreiben wolle. § 1 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 6 BEEG für selbstständig wie für nichtselbstständig Erwerbstätige sei so zu verstehen, dass es auf das Ausmaß der tatsächlichen Erwerbsaktivitäten des Elternteils ankomme. Die Nichtausübung e...