Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnarzt. Degressionsregelung bei Überschreiten der Punktmengengrenzen ist verfassungsgemäß
Orientierungssatz
1. Die bei Überschreiten der Punktmengengrenzen des § 85 Abs 4b S 1 SGB 5 aus vertragszahnärztlicher Versorgung vorgeschriebene Absenkung des Punktwertes um 20 vH, 30 vH bzw 40 vH ist verfassungsgemäß (vgl ua BSG vom 14.5.1997 - 6 RKa 25/96 = SozR 3-2500 § 85 Nr 22 = BSGE 80, 223).
2. Eine differenzierende Regelung der nach Bema-Punkten bemessenen Degressionsgrenze für Kieferorthopäden ist nicht erforderlich, weil der Gesetzgeber zugleich in § 85 Abs 2b SGB 5 den Punktwert für kieferorthopädische Behandlungen - und für prothetische Behandlungen - abgesenkt hat (vgl BSG vom 14.5.1997 - 6 RKa 25/96 aaO).
3. Darin, dass die Degressionsregelung nur für den zahnärztlichen Bereich, nicht aber auch bei den Vertragsärzten eingeführt wurde, ist kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG begründet.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides, mit dem der Gesamtkürzungsbetrag für das Jahr 1993 aufgrund der Degressionsregelung des § 85 Abs.4b SGB V errechnet wurde.
Der Kläger ist als Zahnarzt und Kieferorthopäde in B niedergelassen und als Vertragszahnarzt zugelassen.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1994 errechnete die Beklagte den Gesamtkürzungsbetrag, der sich nach Überschreitung der Punktmengengrenze 1993 ergab. Der Kläger hat in den Quartalen I bis IV/93 im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung Leistungen im Umfang von insgesamt 1.002.167 Punkten nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema-Z) erbracht, davon 919.766 Punkte für kieferorthopädische Leistungen. In Anwendung der Degressionsregelung des § 85 Abs.4b SGB V, nach der der Punktwert bei Überschreitung bestimmter Punktmengen zu verringern war, ermittelte die Beklagte für den Kläger im Jahr 1993 einen Gesamtkürzungsbetrag von 256.355,35 DM.
Gegen diesen Bescheid legten die Prozessbevollmächtigten des Klägers Widerspruch ein. Zur Begründung des Widerspruches machten sie geltend, der auf § 85 Abs.4b SGB V beruhende Bescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil er auf einer in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrigen Norm beruhe. Zum einen werde Ungleiches gleich behandelt, zum anderen in das Eigentumsrecht des Klägers eingegriffen und zum Dritten gleichzeitig die Grundrechte der Berufsfreiheit und des Eigentums dadurch angetastet, dass geradezu die Grundfesten des freien Berufes erschüttert würden.
Der Kläger betreibe als Fachzahnarzt ausschließlich Kieferorthopädie. Als Kieferorthopäde müsse er nach Erstellung seiner Diagnose in jedem Fall einen Behandlungsplan fertigen. Erst dann, wenn die Kasse den Behandlungsplan genehmigt habe, dürfe er mit der Behandlung beginnen. Diese Art der Überwachung der Behandlung durch die Kassen gebe es nur im Bereich der Kieferorthopädie. Der Kieferorthopäde werde aber dennoch mit allen anderen Zahnärzten gleichgestellt, obschon die Besonderheiten der kieferorthopädischen Praxis eine Gleichstellung nicht erlaubten. Damit liege ein grober Verstoß gegen Art.3 Grundgesetz (GG) vor, weil völlig Unterschiedliches gleichgestellt werde. Rationalisierungseffekte seien für eine kieferorthopädische Praxis eine völlig artfremde Betrachtungsweise.
Mit der Einreichung des Behandlungsplanes mache der Kieferorthopäde ein Angebot auf Abschluss eines Kostentragungsvertrages mit der Kasse. Die Kasse nehme dieses Angebot -- unverändert oder verändert -- an. Erst dann werde mit der Behandlung begonnen. Eine genehmigte Behandlung könne aber aufgrund einer Degressionsregelung nicht im Nachhinein gekürzt werden. Dies stelle einen Verstoß gegen die Eigentumsrechte des Art.14 GG dar. Mit jeder genehmigten Behandlung erhalte der Kieferorthopäde eine eigentumsähnliche Position.
Durch die Degressionsregelung werde dem einzelnen Zahnarzt bzw. hier dem Kieferorthopäden, vorgegeben, wieviele Patienten er zu dem üblichen Punktwert behandeln dürfe. Wenn mit dem Gesetz auch nur mittelbar der Zweck verfolgt werden sollte, dass der einzelne Kieferorthopäde weniger Behandlungen durchführen dürfe, dann sei dieses Gesetz verfassungswidrig, da es gegen die Berufsfreiheit des Art.12 GG verstoße. Dies stelle einen schweren Eingriff in die freiberufliche Tätigkeit des niedergelassenen Kieferorthopäden dar.
In jedem Fall sei eine Rückwirkung des Gesetzes insoweit verfassungswidrig, als auch längst vor In-Kraft-Treten des Gesetzes genehmigte Behandlungsfälle von der Punktwertkürzung erfasst würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es beständen zwar verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Degressionsregelung. Die Regelungen des § 85 Abs.4b bis f SGB V seien aber geltendes Bundesrecht. Solange keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hinsichtlich einer Nichtigkeit dieser Vorschriften vorliege, sei di...