Entscheidungsstichwort (Thema)

Abhängige Beschäftigung. Merchandiserin. Propagandistin. Regalauffüllerin. Anfrageverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Merchandiser sind im Gegensatz zu Regalauffüllern und Disponenten selbstständig tätig, wenn

– sie nicht zur höchstpersönlichen Leistung verpflichtet sind,

– ihre Arbeiten für die Auftraggeber auch von von ihnen beauftragte Kräfte ausführen dürfen, ohne dass die Auftraggeber dies genehmigen müssten,

– sie im Verhinderungsfall selbst für Ersatzarbeitskräfte sorgen müssten,

– eigene Mitarbeiter auf Mini-Jobbasis beschäftigen,

– die Arbeitszeit weitgehend selbst nach ihren Bedürfnissen und Kriterien bestimmen können, insbesonder nicht an die Ladenverkaufszeiten der Märkte gebunden sind

– nicht in das Weisungsgefüge der Verbrauchermärkte eingebunden, also Weisungen der Marktleiter nicht unterworfen sind

– einem Konkurrenzverbot nicht unterliegen,

– ihre Auftraggeber selbst akquirieren und

– selbst über die Verteilung der Ware im Regal und über die absatzgünstige Positionierung der Ware entscheiden.

 

Normenkette

SGB IV § 7a

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. April 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte Tätigkeiten der Klägerin als Merchandiserin für die Beigeladenen zu 1) bis 4) - im Folgenden: beigeladene Handelsunternehmen - zutreffend als abhängige Beschäftigung qualifiziert hat.

Die am.1959 geborene Klägerin meldete bei ihrer Gemeinde am 01.10.1990 ein Gewerbe als Propagandistin an. Am 30.05.2000 beantragte sie bei der Beklagten über die Versicherungspflicht in diesen Tätigkeiten zu entscheiden mit dem Ziel der Feststellung, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliegt. Sie gab an, Ware in den verschiedenen Nonfood-Abteilungen von Verbrauchermärkten zu verräumen, verkaufsansprechende Zustände herzustellen und dabei bei freier Zeiteinteilung selbständig tätig zu sein. Sie dürfe die Arbeitsleistung auch auf andere Personen übertragen. Ergänzend legte sie Stundenabrechnungen für erbrachte Tätigkeiten vor. Unter dem 06.02.2001 erweiterte sie diesen Antrag auf weitere Handelsunternehmen und gab dabei an, ihre Dienste in einer Vielzahl von Baumärkten, Edeka-Centern und V-Markt-Centern zu leisten. Mit Bescheid vom 21.09.2001/Widerspruchsbescheid vom 05.12.2002 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladenen zu 1) bis 3) sowie für weitere Firmen abhängig beschäftigt sei. In einer Gesamtschau ergebe sich, dass der zeitliche Rahmen ihrer Tätigkeit durch die Geschäfts- und Öffnungszeiten der Märkte vorbestimmt werde ebenso wie der Einsatzort. Die Bewirtschaftung der Regalsysteme enthalte nicht die Warenbestellung. Die Tätigkeit als Regalauffüllerin sei dem Typ einer fremdbestimmten Tätigkeit zuzuordnen. Es fehle an unternehmertypischen Merkmalen wie dem Einsatz eigenen Kapitals oder eigenen Betriebsvermögens. Die Klägerin erstelle keine eigene Preiskalkulation, sie werde vielmehr wie andere abhängig Beschäftigte auch nach Stunden bezahlt. Dass sie für mehrere Auftraggeber tätig sei, bleibe im Ergebnis ebenso wenig relevant wie das Vorliegen von Gewerbebescheinigungen oder die Berechnung von Umsatzsteuer.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und geltend gemacht, sie sei in ihrer Ausübung im Wesentlichen zeitlich und inhaltlich ungebunden. Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, die Beklagte habe in mehreren vergleichbaren Fällen eine selbständige Tätigkeit anerkannt, die Klägerin beschäftige seit dem 01.07.2001 eine eigene Mitarbeiterin zur Bearbeitung der Regalauffüllung und sei für weitere Auftraggeber tätig. Sie sei deshalb in einer Gesamtschau als Selbständige anzusehen.

Mit Bescheid vom 11.11.2002/Widerspruchsbescheid vom 25.11.2003 hat die Beklagte eine Tätigkeit als Merchandiserin für die Beigeladene zu 4) als abhängige Beschäftigung qualifiziert. Die Klägerin hat daraufhin das Klageverfahren mit Schriftsatz vom 01.12.2003 um diese Entscheidung erweitert.

Im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht vom 31.08.2005 hat die Klägerin ihre Tätigkeit für die beigeladenen Handelsunternehmen dahingehend geschildert, dass sie die betreuten Regale nach dem Bestand erfasse und die erforderliche Nachbestellung per Fax an die beigeladenen Handelsunternehmen leite. Rund eine Woche später gehe sie wieder zum jeweiligen Verbrauchermarkt, hole dort vom Lager die Ware ab und räume sie in die Regale ein. Sie entscheide selbst, wo die einzelnen Artikel zu platzieren seien. Sie sei auch mit kleineren Umbauten beschäftigt und müsse neue Produkte einführen oder alte Ware aus den Regalen entnehmen. Sie erstelle ihren eigenen Tourenplan und zwar jede Woche neu nach ihren eigenen Bedürfnissen. Sie sei in rund 100 Verbraucher- und Baumärkten tätig. Sie müsse vor Ort entscheiden, ob Retouren vom Auftra...

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