Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. sozialgerichtliches Verfahren. Würdigung unterschiedlicher Gutachten. Erfordernis einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nach § 109 SGG bei zwischenzeitlicher Einholung eines Gutachtens von Amts wegen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.

2. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachten gehört wie die anderer widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst.

3. Dass zwischenzeitlich ein Gutachten von Amts wegen eingeholt worden ist, begründet nicht ausnahmslos das Erfordernis einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters nach § 109 SGG, sondern nur, wenn sich dadurch wesentliche Gesichtspunkte ergeben haben, zu denen sich der Gutachter nach § 109 SGG noch nicht hatte äußern können.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 2 vgl BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B = SozR 4-1500 § 160a Nr 3.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.06.2021; Aktenzeichen B 13 R 289/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1968 geborene Klägerin hat bis 2011 die Tätigkeit einer Pflegeassistentin ausgeübt, war anschließend bis Juni 2012 arbeitsunfähig erkrankt und ist seitdem arbeitslos und im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Vom 11.04.2011 bis 10.05.2011 unterzog sie sich wegen Übergewichts und Lumboischialgien einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Erstmals 2012 stellte sie bei der Beklagten einen Rentenantrag, der nach Untersuchungen durch P und J auf orthopädischem und psychiatrischen Gebiet abgelehnt wurde. Seit 10.12.2014 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt, davon ein GdB von 30 für Depressionen somatoforme Schmerzstörung.

Der streitige Rentenantrag datiert vom 17.10.2016 und wurde mit einer Verschlechterung des Zustandes begründet. Die Klägerin legte dazu verschiedene Bescheinigungen ihres behandelnden Nervenarztes E vor, wonach sie nicht im Stande sei, irgendwelche Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert zu erbringen. In dem von der Beklagten angeforderten Befundbericht vom 26.07.2016 wurde von E eine kompensierte mittelgradige depressive Störung mitgeteilt. Am 23.01.2017 wurde die Klägerin durch W von der ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten untersucht, der einen psychisch unauffälligen Befund und ein vollschichtiges Leistungsvermögen feststellte. Der Rentenantrag wurde darauf mit Bescheid vom 31.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2017 abgelehnt.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Regensburg hat die Klägerin ein Attest ihres Hausarztes D vom 03.09.2017 vorgelegt, wonach die Klägerin sich nicht in der Lage sehe, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von D vom 17.12.2017 angefordert, der auf im Vordergrund stehende orthopädische Erkrankungen hingewiesen hat. Vom Orthopäden F ist eine zunehmende Beeinträchtigung der persönlichen und beruflichen Leistungsfähigkeit mitgeteilt worden und E hat mit Befundbericht vom 29.01.2018 eine leichte Debilität sowie ein mit einer Somatisierung einhergehendes depressives Syndrom mitgeteilt. Die Klägerin sei aufgrund ihrer einfachen Struktur, der Depression und der Wirbelsäulenschmerzen nicht in der Lage, regelmäßig und dauerhaft einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen.

Am 05.03.2018 ist die Klägerin durch den Medizinaldirektor Z begutachtet worden, der als Diagnosen benannt hat:

1. Rezidivierende depressive Störung, mäßig bis mittelgradig

2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen vor allem der LWS

3. Adipositas permagna

4. Bluthochdruck

5. Diabetes mellitus

Die Feststellung einer Debilität sei nicht nachvollziehbar. Im Affekt sei die Klägerin noch auslenkbar, auch bestehe keine überdauernde höhergradige Antriebsstörung. Ein Interessenverlust bestehe nicht, die Klägerin verfüge über eine sinnvolle Tagesstrukturierung und vermöge den anfallenden Anforderungen im häuslichen und sozialen Bereich ausreichend gut zu begegnen. Im Gespräch habe sich die Klägerin durchaus gut differenziert gezeigt. Die Möglichkeiten einer antidepressiven Medikation seien nicht ausgeschöpft. Bei Dosisanpassung sei durchaus eine Befundbesserung in näherer Zukunft zu erwarten. Auch eine zusätzliche psychotherapeutische Anbindung erscheine sinnvoll. Bezüglich der körperlichen, insbesondere orthopädischen Beeinträchtigungen, bestünden qualitative Leistungseinschränkungen, jedoch keine quantitativen. Insgesamt bestehe bei Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen, d. h. die Leistungsfähigkeit der Klägerin bezogen auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeits-marktes liege bei sechs Stunden und meh...

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