Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Auswirkungen eines Sanktionsbescheides auf die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Streitgegenstand im Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sanktionsbescheid nach §§ 31 ff SGB II mindert den Auszahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld II. Der Leistungsanspruch wird durch vorhergehende oder nachfolgende Bewilligungsbescheide festgelegt.

Streitgegenstand einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid ist allein dieser Bescheid (isolierter Streitgegenstand Sanktion).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 31b Abs. 1 Satz 1 und § 39 Nr. 1 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung, der Begründung der Gesetzesänderung, der Parallelität zum tatsächlichen Verwaltungshandeln und der fehlenden Notwendigkeit eines anderen rechtlichen Modells.

Die Revision wurde zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage.

 

Orientierungssatz

Bei der gerichtlichen Überprüfung eines Sanktionsbescheides, mit dem die Grundsicherungsleistungen vorübergehend abgesenkt werden, wird nicht auch die bisherige Leistungsbewilligung mit überprüft, sondern lediglich die Rechtmäßigkeit der Absenkungsentscheidung.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Sanktion, die eine Minderung des Auszahlungsanspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld II um 30 Prozent des Regelbedarfs für die Monate September, Oktober und November 2011 feststellt.

Der 1959 geborene alleinstehende Kläger bezieht seit Oktober 2009 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Er ist von Beruf Anlagenmechaniker. Der Kläger bewohnt eine Zweizimmerwohnung, für die er im strittigen Zeitraum eine Bruttowarmmiete von monatlich 381,99 Euro zahlte. Nach einem Hinweis des Beklagten vom 18.09.2009, dass die Aufwendungen für seine Wohnung die Angemessenheitsgrenze übersteigen würden, wurden für die Wohnung ab 01.04.2010 monatlich nur noch 280,20 Euro als Bedarf anerkannt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 04.04.2011 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.09.2011 in Höhe von monatlich 644,20 Euro bewilligt. Die Leistung setzte sich zusammen aus 364,- Euro Regelbedarf und 280,20 Euro für die Wohnung.

Mit Vermittlungsvorschlag vom 14.07.2011 wurde dem Kläger eine Stelle bei einem Zeitarbeitsunternehmen (R. in D-Stadt, künftig Stellenanbieter) als Helfer im Metallbereich angeboten. In der Stellenbeschreibung stand auch "Bereitschaft zur Schichtarbeit". Der Kläger wurde in diesem Schreiben aufgefordert, sich umgehend schriftlich oder per E-Mail mit Lebenslauf und Zeugnissen zu bewerben. Beigefügt war eine Rechtsfolgenbelehrung, wonach bei einer Weigerung, die angebotene Arbeit aufzunehmen, oder der Verhinderung der Aufnahme der Arbeit durch negatives Bewerberverhalten das Arbeitslosengeld II um einen Betrag von 30 % des Regelbedarfs für drei Monate abgesenkt werde, wenn kein wichtiger Grund für die Weigerung nachgewiesen werde.

Der Stellenanbieter teilte am 09.08.2011 schriftlich mit, dass der Kläger sich nicht beworben habe. Die Firma habe selbst den Kläger angerufen und auf den Anrufbeantworter gesprochen. Es sei aber kein Rückruf erfolgt.

Mit Schreiben vom 10.08.2011 wurde der Kläger zur beabsichtigten Sanktion angehört. Er teilte mit, dass er sich am 18.07.2011 telefonisch beworben habe. Man habe sich aber vertraglich nicht einigen können.

Mit Bescheid vom 24.08.2011 stellte der Beklagte die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II um 30 % des Regelbedarfs (monatlich 109,20 Euro) für die Zeit von 01.09.2011 bis 30.11.2011 fest. Ein Bescheid zur Änderung der bisherigen Bewilligung ist nicht ersichtlich.

Der Kläger erhob am 05.09.2011 zur Niederschrift Widerspruch. Ihm sei bei dem Telefonat mit dem Arbeitgeber lediglich eine Stelle im Dreischichtbetrieb angeboten worden. Dies könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten.

Bei einer telefonischen Rücksprache teilte der Stellenanbieter mit, dass die Firma am 15.07.2011 auf den Anrufbeantworter des Klägers gesprochen habe mit der Bitte um Rückruf. Ein Rückruf des Klägers sei nicht erfolgt. Die Firma habe später - ein genaues Datum konnte nicht genannt werden - nochmals bei dem Kläger angerufen. Dieser habe mitgeteilt, arbeitsunfähig zu sein und kein Kfz zu haben. Der Stellenanbieter teilte ferner mit, dass er je nach persönlichen Möglichkeiten verschiedene Einsatzstellen angeboten hätte, teils mit Normalschicht, teils mit Zweischichtbetrieb.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe sich nicht, wie im Vermittlungsvorschlag vorgesehen, telefonisch oder per E-Mail beworben. Der Rückruf des Klägers sei dagegen eine unzureichende Bewerbung gewesen. Dies müsse dem Kläger auch klar gewesen sein.

Bereits mit Bescheid vom 07.09.2011 w...

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