Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid nach Rechtslage ab 1.4.2011 als abtrennbarer Streitgegenstand. Unterscheidung zwischen Auszahlungsanspruch und Leistungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Sanktionsbescheid nach §§ 31ff SGB 2 mindert den Auszahlungsanspruch auf Arbeitslosengeld II. Der Leistungsanspruch wird durch vorhergehende oder nachfolgende Bewilligungsbescheide festgelegt.
2. Streitgegenstand einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid ist allein dieser Bescheid (isolierter Streitgegenstand Sanktion). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 31b Abs 1 S 1 und § 39 Nr 1 SGB 2 in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, der Begründung der Gesetzesänderung, der Parallelität zum tatsächlichen Verwaltungshandeln und der fehlenden Notwendigkeit eines anderen rechtlichen Modells.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Sanktion, die eine Minderung des Auszahlungsanspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld II um 60 Prozent des Regelbedarfs für die Monate Dezember 2011, Januar und Februar 2012 feststellt.
Der 1959 geborene alleinstehende Kläger bezieht seit Oktober 2009 Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Er ist von Beruf Anlagenmechaniker. Der Kläger bewohnt eine Zweizimmerwohnung, für die er im strittigen Zeitraum eine Bruttowarmmiete von monatlich 381,99 Euro zahlte. Nach einem Hinweis des Beklagten vom 18.09.2009, dass die Aufwendungen für seine Wohnung die Angemessenheitsgrenze übersteigen würden, wurden für die Wohnung ab 01.04.2010 monatlich nur noch 280,20 Euro als Bedarf anerkannt.
Mit Sanktionsbescheid vom 24.08.2011, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2011, stellte der Beklagte die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II um 30 % des Regelbedarfs für die Zeit von 01.09.2011 bis 30.11.2011 fest. Dagegen erhob der Kläger erfolglos Klage und Berufung, die mit Urteil 30.01.2014, Az. L 7 AS 84/13, zurückgewiesen wurden.
Mit Bescheid vom 07.09.2011 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.03.2012 bewilligt. Für die Monate Dezember 2011 bis März 2012 wurden 644,20 Euro monatlich bewilligt. Gegen diesen Bewilligungsbescheid erhob der Kläger wegen der vorangegangenen Sanktion Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2011 zurückgewiesen wurde. Der weitere Widerspruch in Zusammenhang mit dem Sanktionsbetrag sei unzulässig. Die Feststellung der Sanktion sei bereits mit Bescheid vom 24.08.2011 erfolgt.
Mit Vermittlungsvorschlag vom 08.09.2011 wurde dem Kläger eine Stelle bei einem Zeitarbeitsunternehmen VP (künftig Stellenanbieter) als Helfer im Metallbereich angeboten. Arbeitsort sei B-Stadt (14 km zum Wohnort A-Stadt). Der Kläger wurde in diesem Schreiben aufgefordert, sich umgehend schriftlich, per E-Mail oder persönlich mit Lebenslauf und Zeugnissen zu bewerben. Beigefügt war eine Rechtsfolgenbelehrung, wonach bei einer Weigerung, die angebotene Arbeit aufzunehmen, oder der Verhinderung der Aufnahme der Arbeit durch negatives Bewerberverhalten das Arbeitslosengeld II um einen Betrag von 60 % des Regelbedarfs für drei Monate abgesenkt werde, wenn kein wichtiger Grund für die Weigerung nachgewiesen werde.
Der Stellenanbieter teilte mit, dass der Kläger sich nicht beworben habe. Der Kläger wurde zur beabsichtigten Sanktion schriftlich angehört. In seiner schriftlichen Rückantwort vom 15.10.2011 teilte der Kläger nur mit, dass die Arbeitsstelle nicht erreichbar gewesen sei.
Mit Bescheid vom 03.11.2011 stellte der Beklagte die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs (monatlich 218,40 Euro) für die Zeit von 01.12.2011 bis 29.02.2012 fest. Der Einwand, dass die Arbeitsstelle ohne Pkw nicht erreichbar sei, sei kein wichtiger Grund für die Nichtbewerbung. Dem Kläger sei zuvor vom Beklagten angeboten worden, bei Arbeitsaufnahme den Erwerb eines Pkw zu fördern. Zugleich wurden Lebensmittelgutscheine als ergänzende Sachleistungen gewährt. Ein Bescheid zur Änderung der bisherigen Bewilligung ist nicht ersichtlich.
Aus zwei Beratungsvermerken in der Akte ergibt sich, dass dem Kläger vor dem streitigen Stellenangebot die Fördermöglichkeit für einen Pkw bei einer Einstellungszusage dargelegt wurde.
Der Kläger erhob mit Schreiben vom 08.11.2011 Widerspruch. Er habe am 13.09.2011 persönlich mit Herrn T. des Stellenanbieters gesprochen und die Auskunft erhalten, dass der Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar sei. Beim letzten Besprechungstermin beim Beklagten am 08.09.2011 sei ihm die Förderung eines Pkw nicht angeboten worden. Allerdings sei ihm damals noch nicht bekannt gewesen, dass er für diese Arbeitsstelle einen Pkw benötigen würde.
Der Stellenanbieter teilte dem Beklagten dagegen mit, dass Herr T. mit dem Kläger nicht gesprochen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2...