Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anerkennung einer Ersatzzeit wegen Rückkehrverhinderung
Leitsatz (amtlich)
Kinder teilen beim Tatbestand der Rückkehrverhinderung/des Festgehaltenwerdens des § 250 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI das Schicksal der Eltern, so dass auf einen Rückkehrwillen der Eltern abzustellen ist (vgl. BSG, 17. Februar 2005, B 13 RJ 25/04 R).
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.09.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte in einem Überprüfungsverfahren der Klägerin eine höhere Altersrente zu gewähren hat und hierbei für die Zeit vom 01.01.1956 bis 31.12.1956 zusätzlich eine Ersatzzeit wegen Rückkehrverhinderung anzuerkennen hat.
Die 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist am 29.04.1994 aus Kasachstan in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen und verfügt über eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), wonach sie Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG ist. Nach Vorlage ihres Arbeitsbuches wurden bei der Klägerin ab Januar 1959 Pflichtbeitragszeiten als glaubhaft gemacht angesehen und mit Feststellungsbescheid vom 26.01.1996 anerkannt.
Auf ihren Antrag vom 06.09.2000 erhielt die Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 16.10.2000 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01.12.2000 zuerkannt. Der Rentenberechnung lagen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) ab Januar 1959 zugrunde. Im Antragsformular hatte die Klägerin die Frage nach Ersatzzeiten verneint.
Mit Schreiben vom 23.03.2012 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten die Überprüfung der Altersrente der Klägerin im Hinblick darauf, dass im Rentenbescheid vom 16.10.2000 keine Ersatzzeiten wegen Verschleppung und Kommandantur angerechnet worden seien. Nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Leistungsfalls der Rente seien Zeiten der Kommandantur und Rückkehrhinderung bis zum 31.12.1956 anzurechnen. Gleichzeitig wurden weitere Sachverhalte geltend gemacht.
Die Klägerin füllte auf Verlangen der Beklagten am 16.05.2012 einen Fragebogen über Zeiten der Internierung und Verschleppung außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland aus. Sie gab hierin, dass sie im Herbst 1941 von den sowjetischen Behörden von ihrem Geburtsort im Wolgagebiet nach Kasachstan verschleppt worden sei. Dies sei wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit erfolgt und sie sei in Kasachstan in einem Lager gewesen. Aus der Internierung entlassen worden sei sie im Herbst/Winter 1956. Anschließend habe sie sich weiter in Kasachstan aufgehalten, weil ihre Rückkehr verhindert worden sei. Ein Rückkehrwille habe bereits während der Kommandantur bestanden, jedoch habe ein Ausreiseverbot vorgelegen. Der Aufnahmeantrag nach Deutschland sei nach dem 31.12.1991 gestellt worden.
Die Beklagte stellte auf Grund der Berücksichtigung verschiedener Sachverhalte mit Bescheid vom 30.05.2012 die Altersrente der Klägerin neu fest und nahm eine Nachzahlung für die Zeit ab 01.01.2008 vor. In dem Bescheid wurde eine Ersatzzeit vom 17.11.1954 bis 31.12.1956 nicht anerkannt, da der Aufenthalt nicht fristgerecht in die Bundesrepublik Deutschland verlegt worden sei und zudem unzureichende Angaben zum Ende der Kommandanturaufsicht gemacht worden seien, so dass eine Entscheidung über die Ersatzzeit "Rückkehrverhinderung" nicht möglich sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2012 Widerspruch ein und machte weiterhin geltend, dass "Ersatzzeiten wegen Verschleppung, Kommandantur" anzurechnen seien. Die Beklagte kam bei einer erneuten Prüfung des Vorgangs zum Ergebnis, dass die Klägerin während der Kommandanturaufsicht minderjährig gewesen sei und in einem solchen Fall ausschließlich auf den Rückkehrwillen der damaligen gesetzlichen Vertreter abzustellen sei. Daher wurde bei der Klägerin angefragt, ob deren Eltern in der Zeit der Kommandanturaufsicht den festen Willen gehabt hätten, in das angestammte Heimatgebiet im Wolgagebiet oder nach Deutschland zurückzukehren. Die Klägerin bestätigte am 08.10.2012 unterschriftlich, dass sie aufgrund von vielen Erzählungen ihrer Eltern wisse, dass es deren sehnlichster Wunsch gewesen sei, nach Hause ins Wolgagebiet zurückkehren zu können; sie hätten dort ein eigenes Grundstück mit Haus, Bauernhof, Vieh und Garten besessen.
Die Beklagte fragte bei der Klägerin mit weiterem Schreiben vom 06.11.2012 an, ob auch ein Rückkehrwille der Eltern für die Rückkehr nach Deutschland vorgelegen habe. Es sollten hierzu weitere Angaben gemacht werden; die Rechtsprechung habe sich zwischenzeitlich geändert. Die Klägerin legte dar, dass ihr Vater noch in Kasachstan verstorben sei und ihre Mutter ebenfalls nach Deutschland übergesiedelt sei.
Die Beklagte zog aus der Rentenakte der Mutter der Klägerin deren Angaben über Zeiten der Internierung und Ver...