Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Leistungen zwischen Sozialleistungsträgern: Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers bei rechtzeitiger Zahlung einer beginnenden Rentenleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X steht nur dem nachrangigen Leistungsträger zu. Bei einer rechtzeitig erbrachten laufenden Leistung fehlt es an der Nachrangigkeit (BSG, 19. März 1992, 7 RAr 26/91).
2. Erbringt der Rentenversicherungsträger die Rentenzahlung für den ersten Monat rechtzeitig zum Monatsende an den Versicherten, so besteht kein Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten beider Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 748,73 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch für an die Versicherte erbrachte Leistungen im Monat November 2012 hat.
Die 1953 geborene Versicherte J. R. beantragte am 17.12.2009 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 08.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2011 im Hinblick auf volle Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit wurde mit Bescheid vom 19.05.2010 ab 01.12.2009 rückwirkend zuerkannt. Ein nachfolgendes Klageverfahren blieb ohne Erfolg. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wurde für den Zeitraum ab 01.10.2010 nicht gezahlt, da Krankengeldzahlungen bzw. die Zahlungen von Arbeitslosengeld I zu hoch waren. Mit Schreiben vom 21.09.2012 teilte die Versicherte mit, dass am 10.10.2012 die Auszahlung des Arbeitslosengeldes nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ende und sie ab diesem Zeitpunkt nur noch Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Die Rentenzahlung solle wieder aufgenommen werden.
Am 24.09.2012 beantragte die Versicherte beim Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger bewilligte der Versicherten mit Bescheid vom 24.09.2012 für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.10.2012 Leistungen in Höhe von monatlich 463,50 Euro und für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.03.2013 in Höhe von monatlich 922,60 Euro.
Am gleichen Tag zeigte der Kläger bei der Beklagten an, dass er der Versicherten Leistungen nach dem SGB II erbringe und machte dem Grunde nach einen Erstattungsanspruch geltend.
Am 29.10.2012 berechnete die Beklagte, dass der Versicherten ab 01.11.2012 ein Betrag von monatlich 625,22 Euro zu zahlen sei und für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.10.2012 eine Nachzahlung von 625,22 Euro angefallen sei. Die Nachzahlung werde vorläufig einbehalten. Auf die Mitteilung der Rentenzahlung an die Versicherte hin machte der Kläger mit Schreiben vom 05.11.2012, das am 07.11.2012 bei der Beklagten einging, für den Zeitraum vom 01.10.2012 bis 30.11.2012 konkrete Erstattungsansprüche in Höhe von insgesamt 1.247,88 Euro geltend.
Die Beklagte kam zum Ergebnis, dass dem Kläger lediglich für die Zeit vom 11.10.2012 bis 31.10.2012 ein Erstattungsanspruch zustehe und sich dies auf einen Betrag von 423,54 Euro zuzüglich Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 73,27 Euro und Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 10,40 Euro, mithin 507,21 Euro belaufe; dieser Betrag werde gezahlt. Der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.10. bis 10.10.2012 und für den Monat November 2012 werde nicht gezahlt, es bestehe keine Zeitgleichheit. Der verbleibende Restbetrag von 201,68 Euro wurde der Versicherten ausgezahlt.
Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 23.11.2012 erneut an die Beklagte. Ihm sei telefonisch seitens der Beklagten mitgeteilt worden, dass die Rentenzahlung von November 2012 als laufende Leistung an die Versicherte gezahlt worden sei und eine Stornierung der laufenden Leistung nur bis zum 10.11.2012 möglich gewesen sei. Der Kläger wies darauf hin, dass der kraft Gesetzes bestehende Erstattungsanspruch gemäß § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nach den gesetzlichen Vorschriften uneingeschränkt bestehe und der Erlass des Rentenbescheides nicht maßgeblich sei. Da die Beklagte vom Erstattungsanspruch Kenntnis gehabt habe, komme der Direktauszahlung der Erwerbsminderungsrente an die Versicherte keine befreiende Wirkung zu (§ 104 Abs. 1 SGB X).
In den Akten der Beklagten ist ein Vermerk, wonach derartige Probleme bekannt seien. Offensichtlich habe man bei der Programmierung nicht daran gedacht, in diesen Fällen die laufende Zahlung maschinell um einen Monat zu verschieben. Gleichwohl sei Rechtsauffassung der Beklagten, dass eine Erstattung für den Monat November 2012 nicht in Betracht komme. Zur Begründung sei anzuführen, dass mit Aufnahme der laufenden Zahlung durch die Beklagte eine Vorleistungspflicht des Klägers für den Monat November 2012 nicht mehr besta...