Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Einbeziehung eines Mathematikers in die Altersversorgung der technischen Intelligenz

 

Leitsatz (amtlich)

Mathematiker waren in der ehemaligen DDR nicht obligatorisch in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Januar 2013 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Mai 2011 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die Zeit vom 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen.

Der im Februar 1953 geborene Kläger studierte nach seinen eigenen Angaben ab September 1971 bis 31. Dezember 1975 an der H.-Universität B-Stadt in der ehemaligen DDR "Mathematische Methoden der Operationsforschung". Am 30. Juli 1975 legte er dort die Abschlussprüfung mit der Abschlussbezeichnung "Mathematiker" ab.

Mit Antrag vom 28. August 2010 begehrte der Kläger sinngemäß die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1990. Er machte geltend, nach seinem Studium in dem VEB Kombinat Chemische Werke B. in der damaligen Hauptabteilung Wirtschaftskontrolle, Abteilung ökonomische Kontrolle und Analyse, entsprechend seinem Abschluss eingestellt worden und tätig gewesen zu sein. Im Mai 1980 sei er in der Hauptabteilung Wirtschaftskontrolle in die damalige Grundmittel- und Invest-Rechnung (heute: Anlagenbuchhaltung) gewechselt. Dort sei er ins Investitionsgeschehen bei Kontrolle, Durchführung, Abrechnung und Einführung von EDV-Projekten integriert gewesen. Diese Tätigkeit habe er bis zum 31. März 2000 beim VEB Kombinat Chemische Werke B., BSL, und später DOW Chemical ausgeübt, also auch am 30. Juni 1990.

Mit angefochtenem Bescheid vom 1. Oktober 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Abschluss als Diplom-Mathematiker entspreche nicht dem Titel eines Ingenieurs oder Technikers im Sinne der Versorgungsordnung (ingenieurtechnische Hoch- oder mittlere Fachschulausbildung mit Abschluss). Die persönliche Voraussetzung für die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sei damit nicht gegeben.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, eine Beschäftigung im Kombinat VEB Chemische Werke, B., gehöre zu den begünstigten Tätigkeiten (GBl der DDR von 1950, S. 844). Es sei unklar, wieso Diplom-Mathematiker nicht zu dem Personenkreis laut GBl vom 17. August 1950/24. Mai 1951 gehören sollten. Die Mathematik sei die Königin der Wissenschaften. Auch sei zu berücksichtigen, dass neben den normalen mathematischen Inhalten auch zwei EDV-Programmiersprachen Studieninhalt gewesen seien. Schließlich habe er eine Ausbildung in mathematischer Operationsforschung (Optimierung, Stochastik und Netzplantechnik) erhalten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2011 zurückgewiesen. Als Mathematiker sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Seine Qualifikation entspreche nicht der in der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz geforderten Qualifikation.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Nach der maßgeblichen Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (Gbl 844; VO-AVItech) und der zugehörigen 2. Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (2. DB) sei nicht Voraussetzung, dass er als Mathematiker berechtigt sei, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Diplom-Mathematiker hätten zur technischen Intelligenz gezählt. Dies sei allgemeiner Wissensstand nach dem Sprachgebrauch der DDR und auch in der Verordnung über die Erhöhung der Gehälter für Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker in der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Juni 1952 (Gesetzblatt Nr. 84 vom 2. Juli 1952, S. 510-513) so definiert worden. Darin wird von den Angehörigen der technischen Intelligenz, die Hochschulbildung und mittlere Fachschulbildung haben, gesprochen. Nach dem Wortlaut der 2. DB gelten Ingenieure, Konstrukteure, Architekten und Techniker aller Spezialgebiete, wie Ingenieure und Techniker des Bergbaus, der Metallurgie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, der Feinmechanik und Optik, des Bauwesens und Statiker als Angehörige im Sinne des § 1 dieser Verordnung. Darin sei nicht geregelt, dass der Titel eines Ingenieurs benötigt würde. Die von der Beklagten zitierten BSG-Urteile beträfen andere Fallkonstellationen (Diplom-Chemiker, "Kapitän auf großer Fahrt", Flugingenieur).

Er habe als Diplom-Mathematiker...

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