Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Absetzbarkeit der Tilgungszahlung betrieblicher Darlehen als Betriebsausgabe bei der Einkommensermittlung eines selbstständig Tätigen
Leitsatz (amtlich)
1. Statthafte Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54, 56 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
2. Tatsächlich geleistete und unvermeidbare, weil fällige, Tilgungszahlungen betrieblicher Darlehen sind als notwendige betriebliche Ausgaben absetzbar (§ 3 Abs. 2 und 3 S. 1 und 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - AlgII-V - i.V.m. §§ 271, 488 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
3. Die Absetzung betrieblicher Ausgaben wird bei einer Fremdfinanzierung von betrieblich notwendigen Wirtschaftsgütern (hier: überwiegend betrieblich genutztes Kfz) von dem Anschaffungszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Tilgung verschoben (§ 3 Abs. 3 S. 4 und 5 AlgII-V).
Tenor
I. Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Februar 2016 und der Bescheid vom 15. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. September 2015 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, Leistungen in Höhe von 391 Euro monatlich für August bis Dezember 2014 und 399 Euro für Januar 2015 endgültig festzusetzen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine endgültige Festsetzung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von August 2014 bis Januar 2015 auf Null Euro und eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.354 Euro.
Der 1955 geborene Kläger ist im Verlagsbereich bzw. als Autor selbständig tätig. Er unterhält eine Internetseite für Schießsport ("xxx"). Der Kläger erzielte u.a. Einnahmen durch Werbung von Sportwaffen- und Munitionsherstellern, die auf seiner Internetseite oder in den vom Kläger erstellten Newslettern Werbeanzeigen schalteten. Um die Inhalte zu generieren, fuhr der Kläger zu für die Zielgruppe relevanten Schießsportveranstaltungen und Messen. Der Kläger wohnte kostenfrei bei seinen Eltern.
Die mittlerweile verstorbene Mutter des Klägers gewährte ihm Darlehen. Das "Überbrückungsdarlehen" vom 20.12.2011 über 2.400 Euro zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges (Kfz) wurde im Jahr 2014 vollständig getilgt. Am 25.04.2014 gewährte die Mutter dem Kläger ein Darlehen über 2.000 Euro für den Kauf eines Opel Astra. Nach dem Darlehensvertrag war der Betrag "baldmöglichst in frei wählbaren Raten mit 5% Verzinsung" zurückzubezahlen. Am 09.07.2014 gewährte sie dem Kläger ein weiteres Darlehen in Höhe von 1.400 Euro für Reparatur/Ersatzteile des Kfz. Auch dieser Betrag war "baldmöglichst in frei wählbaren Raten mit 5% Verzinsung" zurückzubezahlen.
Mit dem Fortzahlungsantrag vom 31.07.2014 für Zeit ab August 2014 legte der Kläger eine vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertung für August 2014 bis Januar 2015 vor. Sein prognostiziertes monatliches Einkommen betrug danach 96,83 Euro. Der Beklagte bewilligte daraufhin vorläufig Leistungen in Höhe der Regelleistung von 391 Euro monatlich ohne Anrechnung von Einkommen für die Zeit August 2014 bis Januar 2015 (Bescheid vom 18.08.2014).
Der Kläger legte nach dem Ende des Bewilligungszeitraums eine endgültige Anlage "EKS" für die Zeit August 2014 bis Januar 2015 nebst Belegen sowie ein Fahrtenbuch vor. Er erklärte Betriebseinnahmen (BE) in Höhe von insgesamt 7.092,48 Euro, die sich aus den Einnahmen (6.109,89 Euro) und der vereinnahmten Umsatzsteuer (982,59 Euro) zusammensetzten. An Betriebsausgaben (BA) gab der Kläger insgesamt 8.188,45 Euro an und eine Nutzung des Kfz von 20.095 km betrieblich sowie 797 km privat. Für das Kfz setzte der Kläger 214 Euro Steuern, 1.113,61 Euro laufende Betriebskosten, 100,93 Euro Versicherung, 77,66 Euro Reparaturkosten an abzüglich 79,70 Euro für privat gefahrene Kilometer (insgesamt 1.426,50 Euro). Für Reisekosten gab der Kläger Ausgaben in Höhe von 521,81 Euro und für Investitionen (z.B. PC-Ausstattung) in Höhe von 1124,16 Euro an. Als weitere Ausgaben machte er 24,29 Euro für Büromaterial, 310,20 Euro für Telefonkosten, 28,40 Euro für Nebenkosten Geldverkehr, 97,95 Euro für einen Homepage-Baukasten, 112,84 Euro für Internetdomains, 8,49 Euro für Visitenkarten, 81,39 Euro für Fachzeitschriften, 222,81 Euro für Tablet- und Handy-Flatrate, 4.100 Euro für die Tilgung betrieblicher Darlehen und 425,54 Euro für gezahlte Vorsteuer geltend.
Mit Bescheid vom 15.06.2015 setzte der Beklagte die Leistungen für die Zeit von August 2014 bis Januar 2015 endgültig in Höhe von Null Euro monatlich fest und forderte eine Erstattung der Leistungen in Höhe von monatlich 391 Euro für August bis Dezember 2014 und in Höhe von 399 Euro für Januar 2015, insgesamt 2.354 Euro. Das anrechenbare Einkommen übersteige den Bedarf. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015).
Der Beklagte hatte abweichende BE und BA in die Berechnung...