Entscheidungsstichwort (Thema)
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. schwere spezifische Leistungsbehinderung. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. grobe Nachlässigkeit iS des § 109 Abs 2 SGG. rechtzeitiger Antrag nach § 109 SGG. wiederholter Antrag. verbrauchtes Antragsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag nach § 109 SGG ist abzulehnen, wenn er nicht rechtzeitig gestellt wird.
2. Einem wiederholten Antrag nach § 109 SGG ist nach Verbrauch des Antragsrechts nur stattzugeben, wenn inzwischen weitere wesentliche Gesundheitsstörungen aufgetreten sind, die noch nicht Gegenstand der Begutachtung von Amts wegen waren.
3. Das Antragsrecht lebt auch dann nicht wieder auf, wenn das Gericht neu vorgelegte Befundberichte dem von Amts wegen bestellten Gutachter zur Prüfung neuer Gesundheitsstörungen vorlegt.
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung und einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen.
2. Grobe Nachlässigkeit iS des § 109 Abs 2 SGG liegt regelmäßig dann vor, wenn der behinderte Mensch den Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist stellt, obwohl er erkennt oder erkennen muss, dass die von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme beendet ist (vgl BSG vom 24.3.1961 - 10 RV 303/57).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.12.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der 1957 geborene Kläger ist gelernter Schreiner. Vom 01.09.1973 bis zum 21.04.1988 war er versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war er als selbstständiger Küchenmonteur und Holztechniker tätig und entrichtete freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Am 18.01.2011 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Er wurde im Auftrag der Beklagten durch Dr. H. untersucht, der an der Wirbelsäule "dem Alter vorauseilende degenerative Veränderungen" feststellte. Der Kläger könne seine letzte Tätigkeit nur noch täglich drei- bis unter sechsstündig ausüben. Sinnvoll seien Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation mit dem Ziel der Gewichtsreduktion sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, da bei weniger schweren Arbeiten die Progredienz der degenerativen Veränderungen ggf. gebremst werden könne. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die vom 23.08.2011 bis zum 13.09.2011 in F-Stadt durchgeführt wurde. Der Kläger wurde aus dieser Maßnahme als arbeitsfähig entlassen, wenn auch bei zahlreichen Einschränkungen, so hinsichtlich des Arbeitens auf Leitern, Treppen und Gerüsten.
Nachdem der Kläger zum 31.12.2011 sein Gewerbe abmeldete und erklärte, dass er künftig nur noch einen 400 € Minijob ausüben werde, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21.12.2011 ab dem 01.02.2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und lehnte zugleich den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Der Widerspruch vom 31.12.2011, mit dem der Kläger eine "Berufsunfähigkeitsrente in voller Höhe nach altem Recht" beanspruchte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2012 zurückgewiesen.
Am 10.04.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Er leide an vielfältigen orthopädischen und neurologischen Einschränkungen und könne auch leichte Tätigkeiten nicht mehr verrichten. Insbesondere könne er seine rechte Hand nicht mehr einsetzen. Sowohl der Daumen als auch die kleinen Finger seien funktionsunfähig.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. E., Dr. Sch., und Dr. C. beigezogen. Es hat Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens auf orthopädischem Gebiet beauftragt. Dr. P. ist in seinem Gutachten vom 14.05.2013 zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger an folgenden Gesundheitsstörungen leidet:
- Kniegelenksabhängige Beschwerden bds., Abnützungserscheinungen
- Funktionsbehinderung rechte Hand bei Daumensattelgelenksarthrose und Weichteilreizung
- Brust- und lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden, Abnützungserscheinungen der Wirbel und Bandscheiben, Polyneuropathie der Füße
- Hüftgelenksabhängige Beschwerden, Abnützungserscheinungen
- Chronisch venöse Insuffizienz der Unterschenkel
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger leichte Tätigkeiten abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne häufige Zwangshaltung der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, ohne besondere Beanspruchung der rechten Hand, ohne kniende oder hockende Tätigkeiten noch vollschichtig zumutbar.
Auf Antrag des Klägers ist sodann gemäß § 109 SGG Dr. S. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens auf orthopädischem Gebiet beauftragt worden. Dr. S. ist in dem am 22.01.2014 übersandten Gutachten nac...