Entscheidungsstichwort (Thema)

Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. überwiegende Beanspruchung der Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden durch die Ausbildung. Zumutbarkeit einer Halbtagstätigkeit. Fernstudium an einer türkischen Fernuniversität mit Fernsehunterricht

 

Orientierungssatz

Zur Zumutbarkeit einer Halbtagstätigkeit im Rahmen der Prüfung des Anspruches auf Waisenrente nach § 1267 RVO und der Beantwortung der Frage, ob Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden durch die Ausbildung überwiegend beansprucht werden, wenn der Auszubildende ein Fernstudium an einer türkischen Fernuniversität mit Fernsehunterricht absolviert.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 6. Februar 1990 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Waisenrente über den 30.09.1986 hinaus.

Der am 1967 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, ist ein Sohn des am 1941 geborenen und am 1977 verstorbenen Versicherten.

Dieser war vom 06.05.1968 bis 16.09.1977 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Bescheid vom 15.06.1978 gewährte die Beklagte dem Kläger Halbwaisenrente und verlängerte die Rente mit Bescheid vom 22.07.1985 bis 30.06.1986.

Mit Bescheid vom 20.04.1986 stellte sie fest, ab 01.07.1986 bestehe kein Anspruch mehr auf Rente, da sich der Kläger nicht mehr in Schulausbildung befinde.

Der Kläger verwies dagegen auf eine Bescheinigung des A K Gymnasiums vom 27.05.1986, wonach die Nachprüfungen vom 22.08.1986 bis 09.09.1986 dauerten. Weiter legte er einen Ausweis der "A Universität" vom 25.12 .1986 vor, wonach er dort seit 05.11.1986 immatrikuliert sei. Es handele sich um Fernunterricht.

Mit Bescheid vom 09.02.1987 stellte die Beklagte fest, ein Anspruch auf Waisenrente bestehe noch bis 30.09.1986. Über diesen Zeitpunkt hinaus werde die Gewährung von Rente abgelehnt, da der Fernunterricht der durch die "A-Universität" vermittelt werde, die Zeit und Arbeitskraft des Klägers nicht überwiegend in Anspruch nehme. Eine Schulausbildung im Sinn der deutschen Rentenversicherung liege demnach nicht vor.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben.

Mit Schriftsatz vom 04.09.1987 hat er ein Protokoll über die Besprechung zwischen Vertretern der türkischen und deutschen Verbindungsstelle für die Gewährung von Familienleistungen vom 15. bis 18.07.1986 in der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg vorgelegt. Darin wird. u.a. ausgeführt, die Tätigkeit der Fernuniversität beruhe auf dem Gesetz Nr. 2547, das die Grundlage für die Tätigkeit aller Hochschulen in der Türkei bilde. Das Fernstudium finde zur Zeit nur in der Fakultät für Wirtschaft und Betriebswirtschaft statt. Teilnehmer am Fernstudium hätten denselben Status wie andere Studenten, erhielten den Studentenausweis und könnten Ausbildungsbeihilfen des türkischen Staates beziehen . Das Studium müsse als Vollzeitstudium in der Regel innerhalb von vier Jahren bewältigt werden und es gebe kein Teilzeitstudium mit verlängerter Studienzeit. Ergänzend zum schriftlichen Studienmaterial müsse der Student Vorlesungen verfolgen, die täglich über das Fernsehen ausgestrahlt würden und zwar von Montag bis Freitag von 17.00 bis 18.30 Uhr und Samstag und Sonntag von 8.00 bis 10.00 Uhr. Der Student müsse in jedem Fach seine Leistungen jährlich in einer Prüfung nachweisen. Während des Jahres müssten die Studenten bei den ergänzenden Vorlesungen, die außerhalb von E an bestimmten Orten stattfänden anwesend sein. Das Studium binde den Studenten voll, so dass daneben eine Beschäftigung nicht möglich sei.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft der "A-Universität" vom 20.08.1987 eingeholt, wonach der Kläger dort seit 05.11 .1986 eingeschrieben ist und bisher die Fächer "Einführung in die Betriebsführung, Einführung in die Volkswirtschaft, Allgemeine Buchhaltung, Einführung in die Verhaltenswissenschaften, Allgemeines Recht, Mathematik, Englisch, Atatürks Reformen und Revolutionsgeschichte" belegt hat. Der Kläger sei Lizenzstudent für das Programm Volkswirtschaft. Das Studium ende voraussichtlich im Schuljahr 1989/90. Der Unterricht über das Fernsehen erfolge täglich 30 Min. pro Unterrichtsfach. Die akademischen Beratungen fänden an vier Wochentagen jeweils eine Stunde statt. Die Fakultät könne keine Angabe über die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Ort der akademischen Beratungen machen. Für die Unterrichtsvorbereitungen, das Verfolgen des Unterrichts am Bildschirm, die Teilnahme an akademischen Beratungen und für das an Anwendungsprogramm benötige der Studierende genauso viel Zeit wie ein Student der regulären Fakultäten. Das Bestehen der Zwischen- und Nachprüfungen sei Voraussetzung für die Fortsetzung des weiteren Schulbesuchs.

Mit Urteil vom 29.04.1988 hat das Sozialgericht Bayreuth die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen. Auf die Begründung des Urteils wird...

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