Leitsatz (amtlich)

1. Es bleibt offen, ob und unter welchen Voraussetzungen einem ausgeschlossenen Bieter ausnahmsweise eine Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren zustehen kann.

2. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass offensichtliche Niedrigpreisangebote für Einzelpositionen nicht zwingend zu einem Ausschluss des Angebotes wegen unvollständiger Preisangaben führen müssen (Abweichung von OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2003 - VII Verg 53/03, VergabeR 1/2004, 2).

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 19.02.2004; Aktenzeichen 120.3-3194.1-60-12/03)

 

Tenor

I. Der Beschluss des Senats vom 19.2.2004 wird aufgehoben.

II. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 21.1.2004 bis zu einer Entscheidung des Senats in der Hauptsache zu verlängern, wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb die Lieferung und Montage einer UV-Bestrahlungsanlage für ein Klärwerk im Offenen Verfahren nach VOB/A Europaweit aus. Den Zuschlag sollte das wirtschaftlichste Angebot nach den in den Unterlagen genannten Kriterien erhalten. Unter 1.9.1 des Leistungsverzeichnisses war vermerkt, dass die UV-Strahler so auszulegen seien, dass am Ende der Nutzungsdauer die vorgegebenen Garantiewerte (Punkt 1.7.1.) von 450 J/m2 erfüllt werden. Die Anlage 3 zum Leistungsverzeichnis enthielt vertragliche Festpreisregelungen für Anlagenteile für einen Vertragszeitraum von 12,5 Jahren. Verlangt waren Angaben zu den Nettopreisen und der garantierten Nutzungsdauer aller Verschleißteile, obligatorisch der UV-Strahler.

An der Ausschreibung beteiligten sich ausschließlich die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Antragstellerin reichte ein Hauptangebot ein. In diesem gab sie einen Mindest-UV- Wert am Ende der Nutzungsdauer mit ≫ 400 J/m2 an; sie bot UV-Strahler und auch Ersatzstrahler zum Festpreis von 130 Euro an. Im Angebotsschreiben VM Ang-VOB hatte sie unter 5.2 angekreuzt, dass bestimmte Leistungen, auf die der Betrieb nicht eingerichtet sei, an Nachunternehmer übertragen werden sollten, aber sowohl auf dem Formblatt zu 5.1, welches Angaben zu Nachunternehmern für Leistungen betrifft, auf die der eigene Betrieb eingerichtet ist, als auch auf Formblatt 5.2 Nachunternehmer benannt.

Die Beigeladene gab ein Hauptangebot in zwei Varianten und drei Nebenangebote ab. Nach rechnerischer und wirtschaftlicher Prüfung enthielt das Hauptangebot eine Bruttoendsumme von 1.809.226,70 Euro. Das beratende Ingenieurbüro schlug vor, den Auftrag unter Ausschluss der Nebenangebote 2 und 3 zu erteilen auf das Nebenangebot 1 (Wartung nur 1 mal jährlich), allerdings unter Abzug für den Posten Wartung, zu einer Bruttoendsumme von 1.693.226,71 Euro.

Auch die Beigeladene hatte bei dem Formular 5.2 angekreuzt, dass sie Nachunternehmer für Leistungen, auf die ihr Betrieb nicht eingerichtet sei, einsetzen werde. Das zugehörige Formular zu Nr. 5.2 war jedoch nicht ausgefüllt, sondern nur das Formular zu 5.1. Auf diesem Formular war zur Begründung für den Einsatz von Nachunternehmern handschriftlich vermerkt, dass der Betrieb für diese Leistungen nicht eingerichtet sei. Die Beigeladene bot im Leistungsverzeichnis die UV-Strahler zum Einheitspreis von 490 Euro und in der Anlage 3 Ersatzstrahler zum Festpreis von ebenfalls 490 Euro an. In einem Anschreiben zum Angebot wies sie darauf hin, dass in ihrem Netto-Angebotspreis von 1.559.678,20 Euro die gesamten Ersatzstrahler für eine Nutzungsdauer von 12,5 Jahren eingerechnet worden und somit komplett enthalten seien.

Die Antragstellerin lag bei der Submission und nach der rechnerischen Prüfung mit 1.450.033,28 Euro brutto an erster Stelle vor der Beigeladenen. Mit Schreiben vom 27.11.2003 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, ihr Angebot werde ausgeschlossen, weil es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalte, unvollständig sei und nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Anforderungen erfülle. Die Gerinneabmessungen bei Position 1.1.1. und die Massen bei Position 1.6.21 seien grundlegend ggü. den Ausschreibungsunterlagen geändert worden, bei Position 1.6.22 sei der Preis nicht ausgefüllt, die geforderte Mindest-UV-Bestrahlungsdosis von 450 J/m2 sei nicht eingehalten und es fehlten geforderte technische Unterlagen. Zudem liege ein wirtschaftlicheres Nebenangebot vor. Am gleichen Tage wurde der Beigeladenen mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihr Angebot anzunehmen, ohne dass ausgeführt wurde, um welches ihrer Angebote es sich handele.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 3.12.2003 ihren eigenen Ausschluss sowie den unterlassenen Ausschluss hinsichtlich des Nebenangebotes der Beigeladenen und stellte am 10.12.2003 Nachprüfungsantrag. Unter Wiederholung ihrer Rügen beantragte sie, die Nebenangebote und das Hauptangebot der Beigeladenen auszuschließen und die Antragsgegnerin anzuweisen, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen, hilfsweise, die Ausschreibung aufzuheben un...

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