Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung. Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses erschöpft sich nicht in der Zuständigkeitsfrage, derentwegen verwiesen wurde. Sie erstreckt sich auch auf weitere Zuständigkeitsfragen, soweit das verweisende Gericht diese erkennbar geprüft und bejaht hatte. Dies gilt auch bei Verweisung einer Wohnungseigentumssache durch das Amtsgericht – Streitgericht – an das Landgericht wegen Überschreitens der Streitwertgrenze.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 3; WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 1 UR II 51/01) |
LG München II (Aktenzeichen 3 O 3993/01) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Ihre jeweiligen Wohnungen verfügen über Terrassen. Der Antragsteller fühlt sich durch die Antragsgegner in vielfältiger Weise beeinträchtigt und gestört. Mit seinem Antrag vom 30.4.2000 zum Amtsgericht Fürstenfeldbruck nahm er deshalb die Antragsgegner auf Unterlassung von Belästigungen durch Lärm (a) und sonstige Immissionen (b) in Anspruch.
Das Amtsgericht – Streitgericht – leitete den Antrag formlos an das Wohnungseigentumsgericht weiter. Dieses hielt sich für unzuständig und leitete den Vorgang ohne förmlichen Beschluß, jedoch mit einem Vermerk zur Zuständigkeitsfrage an das Streitgericht zurück. Vor dem Streitgericht erweiterte der Antragsteller seine Anträge schließlich dahin, es den Antragsgegnern zu verbieten, Fahrzeuge auf bestimmten Flächen der Wohnungseigentumsanlage abzustellen (c), in Räumen des Gemeinschaftseigentums eigenmächtig Veränderungen an den Heizkörpern vorzunehmen und Fenster zu öffnen (d), Aushänge der Hausverwaltung zu entfernen (e), Schuhe außerhalb des Sondereigentums abzustellen (f) sowie Handlungen vorzunehmen oder nicht zu unterbinden, die den Rechtsfrieden oder das Zusammenleben der Bewohner der Anlage zu stören geeignet sind (g). In ihrer Erwiderung rügten die Antragsgegner ausdrücklich die funktionelle Zuständigkeit des Streitgerichts.
Mit Beschluß vom 9.5.2001 setzte das Amtsgericht – Streitgericht – den Streitwert vorläufig auf 16.000 DM fest; in der Begründung verneinte es eine Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts. Sodann erklärte es sich auf Antrag des Antragstellers mit formlos mitgeteiltem Beschluß vom 31.5.2001 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München II. Dieses hielt sich hinsichtlich der Anträge zu c, d, e und f für unzuständig, trennte insoweit das Verfahren ab und beschloß am 29.6.2001, den abgetrennten Teil des Rechtsstreits an das Amtsgericht – Wohnungseigentumsgericht – abzugeben. Auch dieser Beschluß wurde den Beteiligten formlos übermittelt.
Das Amtsgericht – Wohnungseigentumsgericht – hat sich mit Beschluß vom 1.8.2001 für unzuständig erklärt und um Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht. Es vertritt die Auffassung, daß das Landgericht seinerseits an den Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts vom 31.5.2001 gebunden sei.
Das Oberlandesgericht München, dem die Akten vorgelegt waren, hat das Verfahren an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozeßgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen (BayObLG WE 1997, 432; NZM 1998, 975; 2000, 388).
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen nicht vor.
a) Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn sich die Gerichte, deren Zuständigkeit in Frage kommt, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch liegt hier in der Vorlage durch das Amtsgericht. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen einem Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist als Besonderheit zu beachten, daß das nächste gemeinsame übergeordnete Gericht das Bayerische Oberste Landesgericht ist, weil dieses im Gegensatz zum Oberlandesgericht grundsätzlich für beide Rechtsgebiete zuständig ist (BayObLGZ 1990, 233/234 f. m.w.N.).
b) Eine rechtskräftige Unzuständigerklärung des Landgerichts liegt nicht vor. Dessen Abgabebeschluß unterliegt gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach § 577 ZPO, da auf das Verhältnis von Prozeßgericht und Wohnungseigentumsgericht die Bestimmungen der §§ 17a, 17b GVG entsprechend anzuwenden sind (BGHZ 130, 159/163; BayObLGZ 1991, 186 ff.; 1998, 111/113; OLG Köln NZM 1999, 319; Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 17 GVG Rn. 2). Der Beschluß des Landgerichts hätte nach § 329 Abs. 3 ZPO den Parteien förmlich zugestellt werden müssen; die formlose Mitteilung des Beschlusses hat die Frist für die sofortige Besc...