Leitsatz (amtlich)
Ein formell rechtskräftiger Verweisungsbeschluss des Prozessgerichts, das seine Zuständigkeit verneint und die Sache an das Wohnungseigentumsgericht verweist, ist für dieses grundsätzlich bindend. Die Bindungswirkung wird durch einen Rechtsfehler bei der Auslegung gesetzlicher Zuständigkeitsvorschriften in der Regel nicht in Frage gestellt.
Verfahrensgang
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen 1 UR II 10/04) |
LG Augsburg (Aktenzeichen 3 O 4588/03) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage, in der dem Antragsgegner eine Wohnung gehört.
Im Oktober 2001 trat in der Wohnung des Antragsgegners ein Wasserschaden auf. Wer dafür verantwortlich ist, ist strittig. Der Schaden wurde zu Lasten der Antragstellerin mit einem Kostenaufwand von 14.118,21 Euro beseitigt. Zudem entstanden der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung gegen die Inanspruchnahme durch den Bauunternehmer Kosten, die sie unter dem Gesichtspunkt des Verzugs vom Antragsgegner ersetzt verlangt.
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit ihrer Klage zum örtlich zuständigen LG auf Zahlung von 20.277,45 Euro zzgl. Zinsen in Anspruch genommen.
Das LG hat mit Verfügung vom 30.12.2003 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts bestehe, weil es sich um eine Streitigkeit zwischen dem Verwalter und einem Wohnungseigentümer handle.
Mit Beschluss vom 14.1.2004 hat das LG die Sache an das AG - Wohnungseigentumsgericht - abgegeben, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die Wohnanlage befindet. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs gegen einen Wohnungseigentümer aus dem Verwalterverhältnis falle unter § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 19. bzw. 26.1.2004 förmlich zugestellt und nicht angefochten.
Mit Beschluss vom 2.3.2004 hat das Wohnungseigentumsgericht die Übernahme des Verfahrens mit der Begründung abgelehnt, nach der Klagebegründung betreffe der Streitgegenstand nicht das Gemeinschaftseigentum, sondern nur das Sondereigentum des Antragsgegners. In diesem Fall verbleibe es bei der Zuständigkeit des Prozessgerichts. Der Verweisungsbeschluss sei objektiv willkürlich und somit nicht bindend. Dieser Beschluss wurde den Beteiligten nicht übermittelt.
Mit Verfügung vom 10.3.2004 hat das LG die Sache an das Wohnungseigentumsgericht formlos zurückgegeben, das nunmehr die Akten zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Bayerischen Obersten LG vorgelegt hat.
II. 1. Das BayObLG ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen (BayObLG ZMR 2004, 130; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 46 Rz. 7 und 8, m.w.N.).
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen jedoch nicht vor.
a) Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn sich die Gerichte, deren Zuständigkeit in Frage kommt, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch liegt in der Vorlage durch das Wohnungseigentumsgericht. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen einem Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist in Bayern das Bayerische Oberste LG das gemeinsame übergeordnete Gericht (vgl. BayObLG BayObLGZ 1990, 233 [234 f.], m.w.N.).
b) Der nach § 46 Abs. 1 WEG ergangene Abgabebeschluss des LG v. 14.1.2004, der entsprechend § 17a Abs. 4 S. 3 GVG der sofortigen Beschwerde unterlag (BayObLG WuM 1998,119 f.), ist rechtskräftig. Hingegen liegt eine rechtskräftige Unzuständigerklärung des Wohnungseigentumsgerichts nicht vor. Denn der den Beteiligten nicht bekannt gemachte "Beschluss" über die Ablehnung der Übernahme sowie die formlose Zurückgabe der Akten durch das Wohnungseigentumsgericht an das Streitgericht, damit dieses seinen Abgabebeschluss überprüfe, beinhalten keine rechtskräftige Unzuständigerklärung i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH v. 27.5.1992 - XII ARZ 12/92, NJW-RR 1992, 1154; BayObLG v. 27.10.1993 - 2Z AR 35/93, WuM 1994, 110 f.; Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 46 Rz. 7).
III. Für das weitere Verfahren wird bemerkt:
Der Abgabebeschluss des LG vom 14.1.2004 hat zur Anhängigkeit des Verfahrens beim Wohnungseigentumsgericht geführt (vgl. § 17b Abs. 1 S. 1 GVG). Der mit einer Begründung versehene (vgl. § 17a Abs. 4 S. 2 GVG) Beschluss wurde den Beteiligten nach Gewährung rechtlichen Gehörs förmlich zugestellt und innerhalb der Frist des § 17a Abs. 4 S. 3 GVG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO nicht angefochten. Er ist somit formell rechtskräftig und für das Wohnungseigentumsgericht nach § 46 Abs. 1 S. 3 WEG im Sinne einer sog. aufdrängenden Wirkung bin...