Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaß. Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bilden zeitlich nacheinander errichtete letztwillige Verfügungen nach dem willen der Testierenden eine Einheit, so ist dieser Wille auch hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit so auszulegen, als wäre er in einer einheitlichen Urkunde niedergelegt, wobei eine vertragliche Bindung nur insoweit als aufgehoben anzusehen ist, als das spätere gemeinschaftliche Testament ihr widerspricht.

 

Normenkette

BGB §§ 2229, 2258 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 10.10.1986; Aktenzeichen 13 T 8235/85)

AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 14/85)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. Oktober 1986 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 2 hat die Kosten zu erstatten, die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsen sind.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 50.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Am 31.12.1984 verstarb im Alter von … Jahren der ehemalige Schlosser … (Erblasser). Seine Ehefrau war am 6.7.1971 verstorben. Das einzige aus der Ehe hervorgegangene Kind, der Sohn … ist seit dem 2. Weltkrieg vermißt.

Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Miteigentumsanteil zur Hälfte an dem Anwesen in ….

Der Erblasser hatte am 14.8.1959 mit seiner Ehefrau einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin ist unter § 2 folgendes bestimmt:

Erbvertragsmäßig unter gegenseitiger Annahme ihrer nachfolgend abgegebenen letztwilligen Verfügungen bestimmen die Ehegatten … was folgt:

  1. Sie setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein.
  2. Das Überlebende von ihnen ist berechtigt über seinen Nachlaß frei zu verfügen.

Ferner liegt folgendes Schriftstück vor, das die Ehefrau des Erblassers eigenhändig geschrieben und beide Ehegatten unterschrieben haben:

DM 10.000.– zehn Tausend

Von meiner Schwester u. Schwägerin, geboren am 11. Juli 1905 in …, erhalten und zum Ankauf des Anwesens …, verwendet.

… erhält das Wohnrecht in diesem Haus auf Lebensdauer.

Nach unser beiden Ableben soll sie das Verfügungsrecht über das Anwesen erhalten.

Sollte aber unser Sohn … sich einmal wieder melden, geht das Haus mit dem Garten auf ihn über.

Das Wohnrecht bleibt weiterhin für meine Schwester … bestehen.

…, 1.11.1967

Nach dem Tode seiner Ehefrau setzte der Erblasser mit notariellem Testament vom 11.8.1971 die Beteiligte zu 2, seine Schwägerin, als Alleinerbin ein. Dieses Testament und alle anderen vorher errichteten letztwilligen Verfügungen hob der Erblasser mit notariellem Testament vom 14.2.1978 auf und setzte die Beteiligte zu 1 als alleinige Erbin ein. In zwei weiteren notariellen Testamenten vom 27.4. und 13.11.1978 wiederholte er die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1, wobei er jeweils einen anderen Ersatzerben bestimmte.

2. Die Beteiligte zu 1 hat auf Grund des Testaments vom 13.11.1978 einen Erbschein beantragt, in dem ihr Alleinerbrecht bezeugt werden soll. Die Beteiligte zu 2 hat dagegen beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, in dem bezeugt wird, daß sie alleinige Erbin sei. Sie meint, sie sei in dem Schriftstück vom 1.11.1967 von den Eheleuten … als Erbin desjenigen eingesetzt worden, der von ihnen zuletzt stirbt. Hierbei handle es sich um eine wechselbezügliche Verfügung, die der Erblasser nach dem Tode seiner Ehefrau nicht einseitig habe widerrufen können. Außerdem hat sie behauptet, der Erblasser sei im Jahre 1978, in welchem er drei Testamente errichtete, testierunfähig gewesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 2.10.1985 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen und angekündigt, es werde den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein erteilen, wenn keine Beschwerde eingelegt werde.

Die am 24.10.1985 erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluß vom 10.10.1986 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, mit der sie ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt. Die Beteiligte zu 1 beantragt, das Rechtsmittel zurück zuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Erblasser sei auf Grund des Testaments vom 13.11.1978 von der Beteiligten zu 1 allein beerbt worden. Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers lägen nicht vor. Der Umstand, daß dieser bereits im Jahre 1978 zu Unrecht die Echtheit seiner Unterschrift unter dem Schriftstück vom 1.11.1967 bestritten habe, lasse Schlüsse auf seine geistigen Fähigkeiten bei Errichtung der notariellen Testamente nicht zu. Es sei möglich, daß er die Eigenhändigkeit seiner Unterschrift wider besseres wissen geleugnet habe, um Ansprüche seiner Schwägerin abzuwehren, mit der er sich zwischenzeitlich überworfen gehabt habe.

Der Erblasser sei durch das Schriftstück vom 1.11.1967 nicht gehindert gewesen, die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einzusetzen. Die Zuwendung des Verfügungsrechts an dem Anwesen in … an die Beteiligte zu 2 s...

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