Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaß. Erbscheinserteilung. Ehegattentestament
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch gemeinschaftliches Testament können Eheleute sowohl früher geschlossene Erbverträge als auch frühere gemeinschaftliche Testamente aufheben.
2. Die gegenseitige Erbeinsetzung durch die Eheleute für den ersten Todesfall sowie die Berufung eines oder mehrerer Schlusserben brauchen nicht in derselben Verfügung getroffen sein.
Normenkette
BGB §§ 2269, 2270 Abs. 2; FGG § 27; ZPO § 550
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 14.05.1985; Aktenzeichen 5 T 4918/84) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 3125/83) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 14. Mai 1985 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die dem Beteiligten zu 3 im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
1. Am 15.12.1983 verstarb in … die 84-jährige verwitwete … (Erblasserin). Aus ihrer ersten Ehe mit … die geschieden wurde, ist als einziger Sohn … hervorgegangen. Er ist, ohne eigene Abkömmlinge zu hinterlassen, im Krieg gefallen.
In zweiter Ehe war die Erblasserin mit dem vorverstorbenen … verheiratet. Diese Ehe blieb kinderlos. Auch für … war es die zweite Ehe. Seine erste Ehefrau hatte aus ihrer ersten Ehe zwei Söhne, die Beteiligten zu 1 und 2, die Stiefsöhne des zweiten Ehemannes der Erblasserin.
Von den Geschwistern der Erblasserin sind noch … am Leben. Deren letzterer Sohn, somit der Neffe der Erblasserin, ist der Beteiligte zu 3.
2. Am 17.6.1952 errichteten … … folgende eigenhändig geschriebene Testamente:
„Testament
…, d. 17.6.52
Durch meine eigene Unterschrift bestätigte Herr … geb. am 21.5.1893, daß mein ganzes Vermögen was ich in die zweite Ehe mitgebracht habe meiner Frau … gehört, und hat niemand was zu fordern. Ebenfalls das Grab auf den Westfriedhof … gehört auch nach meinen Tod meiner Frau
Eigene Unterschrift
Testament.
Ich bestätige hiemit, dass das Vermögen das ich in der zweiten Ehe Hinterlasse mein Mann … hinterlasse.
… den 17.6.52 Eigenhändige Unterschrift am 2.2.1899.”
Am 15.8.1978 verfaßten die Eheleute … ein weiteres privatschriftliches Testament, das folgenden Wortlaut hat:
… 15.8.78
Testament.
Unser letzter Wille lautet:
Wen wir beide Gestorben sind und was sich in unser Wohnung in der … befindet gehört alles den beiden Stiefsöhnen … … jedem die Hälfte. Und was noch Geld da ist müssen sie dafür alles bezahlen was noch zu zahlen ist Ebenso müssen sie unser Grab auf den Westfriedhof 10 Jahre richten oder richten lassen. Die beiden Stiefsöhne haben das Recht wo wir unser Geld liegen haben anstandlos abheben dürfen. Es hat niemand das Recht sie anzufechten
gez.
Die Erblasserin hat nach dem Ableben von … durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht vom 15.2.1982 die Erbschaft angenommen. Sie errichtete am 21.4.1983 vor dem Notar … … in … zu Urkunde URNr. … folgendes Testament, das in Auszügen wie folgt lautet:
„…
I. Zunächst erklärt Frau … als ihren letzten Willen einseitig folgendes:
In einem von meinem verstorbenen Ehemann … am 15.8.1978 eigenhändig geschriebenen und von mir mitunterschriebenen Testament wurden für den Fall des Todes des zuletztversterbenden Eheteils die beiden Söhne aus erster Ehe der ersten Ehefrau meines Mannes … … welche beide nicht in leben, zu Erben des letztversterbenden Eheteils eingesetzt.
Es handelt sich bei den in diesem Testament vom 15.08.1978 getroffenen Verfügungen nicht um wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB. Ich widerrufe hiermit die von mir in dem erwähnten Testament vom 15.08.1978 getroffenen Verfügungen und vorsorglich daneben auch alle etwa sonstige bisher von mir einseitig getroffene Verfügungen von Todes wegen.
Dazu stelle ich fest:
Ich bin Alleinerbin meines Ehemannes aufgrund dessen Testaments vom 17.06.1952 geworden. Nach Ableben meines Ehemannes haben sich dessen Beide Stiefsöhne … und … bei mir eingefunden und mich dazu bewogen, ihnen insgesamt 127.000,– DM auszufolgen.
Vorher bestand zu den Stiefsöhnen meines verstorbenen Mannes praktisch keinerlei Verbindung.
- Für den Fall meines Ablebens ordne ich Testamentsvollstreckung an und ernenne als Testamentsvollstrecker meinen heute mitanwesenden Neffen …
II. Sodann erklärt … als ihren letzten Willen erbvertraglich gegenüber Herrn … also in einseitig unabänderlicher Weise, was folgt:
- …”(es folgen Vermächtnisanordnungen)
„Mein gesamtes nach Erfüllung dieser Vermächtnisse, nach Begleichung der Sterbefall- und Bestattungskosten sowie etwaiger sonstiger Nachlaßverbindlichkeiten verbleibendes Vermögen vermache ich meinem Neffen … – heute mitanwesend –.
Herr … nimmt die vorstehenden erbvertraglichen Vereinbarungen an.
…”
3. Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten, ihnen aufgrund des Testaments vom 15.8.1978 einen Erbschein zu erteilen, wonach bezeugt werde, daß sie je zur Hälfte Erben seien. Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Augsburg lehnte diesen Antrag mit Beschluß vom 14.5.1985 ab. Das Landgericht wies die dagegen von den Beteiligten zu 1 und 2 eingelegte Besch...