Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 21 C 1628/81) |
LG München (Aktenzeichen 14 S 11770/81) |
Tenor
Der (betagte) Vermieter, der Wohnraum für eine in seinen Hausstand aufzunehmende Hilfsperson beansprucht, hat regelmäßig bereits dann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn auf Grund äußerer Umstände mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden kann, daß er die Dienste in naher Zukunft für seine Lebensführung (Pflege und Wartung) benötigt.
Tatbestand
I.
1. Der alleinstehende, 2 Jahre alte Kläger ist Vermieter, der Beklagte ist (seit 1970) Mieter einer aus 2 Zimmern, Küche, Besenkammer und Bad bestehenden Wohnung mit ca. 60 qm Wohnfläche in München. Mit Schreiben vom 31.7.1980 kündigte der Kläger, der in demselben, ihm zu Eigentum gehörenden Anwesen (Erdgeschoß mit 4 Stockwerken und ausgebautem Dachgeschoß) ebenfalls eine Wohnung inne hat, dem Beklagten das bestehende Mietverhältnis über die Wohnung. Als Grund gab er u.a. an, er benötige diese dringend für eine Person, die ihm im Haushalt und bei etwaigen Krankheitsfällen helfen, solle. Der Beklagte widersprach der Kündigung.
Hierauf erhob der Kläger am 12./26.3.1981 Klage auf Räumung und Herausgabe der bezeichneten Wohnung. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das Amtsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 25.6.1981 ab. In den Entscheidungsgründen führte es u.a. aus, die Berufung des Klägers darauf, daß er eine Hilfsperson benötige, sei unbehelflich; er sei nicht pflegebedürftig und könne seinen Eigenbedarf nicht darauf stützen, daß bereits vorsorglich die Möglichkeit geschaffen werde, für eventuelle Krankheitsfälle eine Pflegeperson in der Nähe zu haben. Außerdem habe er um die Jahreswende 1980/81 eine im Hause freigewordene Wohnung anderweitig vermietet.
2. Gegen dieses Urteil legte der Kläger form- und fristgerecht Berufung ein und begründete sie ordnungsgemäß. Er vertrat die Auffassung, es dürfe ihm nicht verwehrt sein, für den Fall, daß er möglicherweise in absehbarer Zeit pflegebedürftig werden sollte, schon jetzt vorzusorgen; er müsse nicht erst den Eintritt seiner Pflegebedürftigkeit abwarten.
Das Landgericht München I hat auf Grund mündlicher Verhandlung am 11.11.1981 folgenden Beschluß verkündet:
„Es ist ein Rechtsentscheid zu erholen zu folgender Rechtsfrage:
Kann eine betagte Person (im gegebenen Fall über 80 Jahre alt), die noch keinen Pflegefall darstellt, Eigenbedarf nach § 564 b BGB zum Zweck der Aufnahme einer Hilfsperson deshalb geltend machen, weil ihre Hilfsbedürftigkeit in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar bevorsteht?”
In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, als möglicher Grund, der die Kündigung vom 31.7.1980 rechtfertigen könne, verbleibe der Bedarf des Klägers an der im 4. Stockwerk gelegenen Wohnung des Beklagten zur Aufnahme einer Hilfsperson. Die vorgelegte, in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilte Rechtsfrage sei entscheidungserheblich und von grundsätzlicher Bedeutung.
Nach schriftlicher Stellungnahme der Parteien hat das Landgericht die Rechtsfrage am 30.11./3.12.1981 dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Erteilung des Rechtsentscheids zuständig (Art. III Abs. 2 des 3. MietÄndG vom 21.12.1967 – BGBl I S. 1248 – i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des 3. MietÄndG vom 5.6.1980 – BGBl I S. 657 –; § 1 der VO über die Zuständigkeit für den Rechtsentscheid in Mietsachen vom 18.1.1968 – GVBl S. 17 – i.V.m. § 1 der VO vom 9.1.1968 – GVBl S. 4 –; BayObLGZ 1981, 105/106 = NJW 1981, 1219; BayObLGZ 1981, 300/301 m. Nachw. = ZMR 1982, 16 = MDR 1982, 56; BayObLGZ 1982 Nr. 12).
Die Vorlage ist zulässig (Art. III Abs. 1 Satz 1 und 2 des 3. MietÄndG). Die vom Landgericht als Berufungsgericht gestellte Rechtsfrage ergibt sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum; sie ist von grundsätzlicher Bedeutung, da zu erwarten steht, daß die gleiche Frage auch künftig wiederholt auftreten und – wie schon bisher – unterschiedlich beantwortet werden wird (Landfermann WM 1980, 257/259; Zöller ZPO 13. Aufl. § 29 a Anm. I 2). Die Rechtsfrage ist, soweit ersichtlich, durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden; sie ist außerdem, wie auch das Landgericht ausgeführt hat, für die Sachentscheidung im vorliegenden Fall erheblich (zur Frage der Prüfung der Entscheidungserheblichkeit: BayObLGZ 1981; 15/16; BayObLG BlGBW. 1982, 31 – LS –; OLG Karlsruhe OLGZ 1981, 78/79 und 81/82 f.).
2. Die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage entsprechend dem Entscheidungssatz beruht auf folgenden Erwägungen:
a) Nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB ist ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses anzuerkennen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt (Eigenbedarf). Dabei braucht es sich nicht um ein dringendes Interesse an der Rückgabe der Räume zu handeln (M...