Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückauflassung. Leibgedinge
Leitsatz (redaktionell)
Die im Leibgedingsvertrag üblicherweise vereinbarten Leistungen des Übernehmers sind in der Regel nicht Gegenleistungen im eigentlichen Sinn für die Übertragung des Grundbesitzes. Der Leibgedingsvertrag ist vielmehr ein sozial motivierter Versorgungsvertrag, der eine wirtschaftliche Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung nicht voraussetzt. Daher ist die Vorschrift des § 138 Abs. 2 BGB, die auf einen Leistungsaustausch gerichtete Verträge zugeschnitten ist, grundsätzlich nicht anwendbar.
Normenkette
AGBGB Art. 7
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 15.06.1993; Aktenzeichen 25 U 6277/92) |
LG München II (Aktenzeichen 4 O 1550/91) |
Tenor
I. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15. Juni 1993 wird nicht angenommen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
III. Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 3.090.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Rückauflassung eines Grundstücks, das sie der Beklagten zu 1 mit notariellem Vertrag vom 5.4.1989 „zum ehelichen Gesamtgut” überlassen hat. In diesem „Überlassungsvertrag” hat sich die Beklagte verpflichtet, der Klägerin, ihrer Schwester, im übergebenen Anwesen auf Lebensdauer ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an einer Erdgeschoßwohnung als „Leibgeding” einzuräumen und ihr eine Leibrente von monatlich 800 DM zu zahlen. Als Eigentümer wurden im Grundbuch die Beklagte zu 1 eingetragen und – wie im Vertrag vereinbart – der Beklagte zu 2, ihr Ehemann, mit dem sie in Gütergemeinschaft lebt.
Die Klägerin behauptet, sie sei bei Abschluß des Vertrages geschäftsunfähig gewesen. Zudem sei der Vertrag gemäß § 138 BGB nichtig, weil die von der Beklagten zu erbringende „Gegenleistung” in einem auffälligen Mißverhältnis zum Wert des übergebenen Anwesens stehe. Das Landgericht hat die Klage am 16.9.1992 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht mit Urteil vom 15.6.1993 zurückgewiesen und den Wert der Beschwer auf über 60.000 DM festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageanspruch weiterverfolgt. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Voraussetzungen für die Annahme der von der Klägerin eingelegten Revision (§ 554b Abs. 1 ZPO in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts – vgl. BVerfGE 52, 227 und 55, 205) liegen nicht vor.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Revision zeigt keine klärungsbedürftige und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage (vgl. Thomas/Putzo ZPO 18. Aufl. § 554b Rn. 7 i.V.m. § 546 Rn. 19) auf (vgl. zur Darlegungspflicht des Revisionsklägers § 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Geklärt sind insbesondere die mit dem Wesen eines Leibgedingsvertrages im Sinn der Art. 7 ff. AGBGB zusammenhängenden Rechtsfragen.
b) Die Revision hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die Klägerin könne weder die Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 894 BGB noch die Rückübertragung des überlassenen Anwesens gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, weil der notarielle Vertrag vom 5.4.1989 weder gemäß § 105 BGB noch gemäß § 142 Abs. 1 i.V.m. §§ 119, 123 Abs. 1 BGB oder gemäß § 138 BGB nichtig sei, enthält keinen Rechtsfehler (§ 550 ZPO).
aa) Die von der Revision erneut zur Überprüfung gestellte Frage, ob die Klägerin bei Abschluß des Vertrages geschäftsunfähig war (§ 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB), liegt auf tatsächlichem Gebiet und unterliegt daher der Beurteilung des Gerichts der Tatsacheninstanz. Dessen Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nur in beschränktem Umfang, nämlich auf Rechtsfehler nachgeprüft werden (vgl. Zöller/Schneider ZPO 18. Aufl. § 550 Rn. 13). Solche sind hier nicht erkennbar. Da die Geschäftsfähigkeit die Regel und ihr Fehlen die Ausnahme ist, hat ihre Voraussetzungen der zu beweisen, der sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 53. Aufl. § 104 Rn. 8). Das ist hier die Klägerin. Somit durfte das Oberlandesgericht darauf abstellen, daß eine Geschäftsunfähigkeit der Klägerin bei Abschluß des Vertrages jedenfalls nicht bewiesen sei.
bb) Aus Rechtsgründen ist die Meinung des Oberlandesgerichts nicht zu beanstanden, ein rechtlich erheblicher Irrtum im Sinn von § 119 BGB und die Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB seien weder schlüssig dargetan noch bewiesen. Eine Verfahrensrüge gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b ZPO ist nicht erhoben.
cc) Soweit die Revision meint, der Überlassungsvertrag sei wegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, nämlich zwischen dem Wert des überlassenen Anwesens und dem Wert des Wohnrechts und der Leibrente, gemäß § 138 Abs. 2 BGB nichtig, kann sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil es sich bei dem Vertrag vom 5.4.1989 um einen Leibgedingsvertrag im Sinn der Art. 7 ff...