Leitsatz (amtlich)

Leidet der Betroffene an einer schubförmig verlaufenden Krankheit (hier Schizophrenie) und kann er aufgrund seiner Krankheitsuneinsichtigkeit seinen Willen auch außerhalb eines akuten Schubs im Bereich der Gesundheitsfürsorge nicht frei bestimmen, ist die Bestellung eines Betreuers erforderlich.

 

Normenkette

BGB § 1896

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 21.03.1996; Aktenzeichen 13 T 1709/96)

AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 1654/95)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. März 1996 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluß vom 31.1.1996 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen Rechtsbeistand M. zur Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung (einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung). Als Zeitpunkt, zu dem spätestens über eine Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden sei, bestimmte es den 31.1.2001.

Die vom Betroffenen gegen diesen Beschluß eingelegte Beschwerde hat das Landgericht am 21.3.1996 zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Verfahren weist keinen Rechtsfehler auf. Die Rüge des Betroffenen, das Landgericht habe es versäumt, ihm einen Verfahrenspfleger zu bestellen, greift nicht durch. Das Landgericht hat mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint, daß der Betroffene zur Wahrnehmung seiner Interessen eines Pflegers bedürfe (§ 69g Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGG). Das Beschwerdeschreiben vom 19.2.1996 zeigt, daß der Betroffene in der Lage ist, seine Einwendungen gegen die Bestellung eines Betreuers nachdrücklich und ohne weiteres verständlich vorzubringen (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 348; OLG Hamm BtPrax 1993, 135/137).

2. Auch materiell-rechtlich hat die Beschwerdeentscheidung Bestand.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Betroffene leide seit mindestens 10 Jahren an einer chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Diese mache seine Betreuung in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung, in denen seine freie Willensbestimmung derzeit ausgeschlossen sei, auch nach Abklingen eines akuten Schubs notwendig. Seine mangelnde Krankheits- und Behandlungseinsicht führe immer wieder zu Exacerbationen, da der Betroffene sich nach den jeweiligen stationären Behandlungen der erforderlichen ambulanten Behandlung entziehe. So habe er nach Aufhebung der vorhergehenden Betreuung im August 1995 entgegen ärztlichem Rat die Medikation umgestellt und sodann ab 28.9.1995 seinen Arzt nicht mehr aufgesucht. Daraufhin habe sich sein Befinden derart verschlechtert, daß er am 8.1.1996 erneut, seit 1986 mittlerweile zum zwölften Mal, in das Bezirkskrankenhaus habe eingeliefert werden müssen. Unter diesen Umständen könne die Betreuung nicht auf eine nervenärztliche Behandlung während eines akuten Schubs beschränkt werden. Vielmehr müsse sie die Gesundheitsfürsorge insgesamt umfassen, um bei jederzeit möglichen neuen akuten Schüben, in denen der Betroffene auch weitgehend die Nahrungsaufnahme verweigere, die für seine Gesundheit erforderlichen Maßnahmen treffen zu können. Darüber hinaus sei eine Betreuung auch bezüglich der Aufenthaltsbestimmung geboten, da insbesondere zu erwägen sei, ob der Betroffene angesichts seiner mangelnden Krankheitseinsicht weiterhin allein in seiner Wohnung bleiben könne. Betreuungsbedürftigkeit bestehe wegen der fehlenden Krankheits- und Behandlungseinsicht voraussichtlich auf die Dauer von fünf Jahren.

b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

(1) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, daß der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1896 Rn. 7; Staudinger/Bienwald BGB 12. Aufl. § 1896 Rn. 27).

Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1085). Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435; Palandt/Diederichsen § 1896 Rn. 23).

(2) Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Seine Feststellungen tragen die Bestellung eines Betreuers in dem angeordneten Umfang.

Die Kammer hat in ihre Erwägungen insbesondere mit einbezogen, daß auch bei schubförmig verlaufenden psychischen Krankheiten ein Betreuer nur für den Zeitraum bestellt werden darf, in welchem der Betroffene zu einer freien Will...

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