Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Beseitigungspflicht einer Balkonverglasung sowie klare Beschlussfassung

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Entscheidung vom 16.10.1986; Aktenzeichen 7 T 298/86)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 16. Oktober 1986 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Antragsteller und Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern gehört eine im Erdgeschoß gelegene Wohnung mit Loggia. Im November 1984 ließen sie an der offenen Vorderseite der Loggia eine faltbare Glasfensterkonstruktion anbringen; die Zustimmung des Verwalters oder der übrigen Wohnungseigentümer dazu hatten sie nicht.

Mit Schreiben vom 25.11.1984 forderte sie Dr. S, Wohnungseigentümer und Mitglied des Verwaltungsbeirats, unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 Buchst. n und § 10 der Teilungserklärung sowie § 22 WEG „im Namen des Verwalters, aber auch im eigenen Namen in (meiner) Eigenschaft als Miteigentümer” auf, die Glasfensterkonstruktion unverzüglich zu beseitigen.

§ 3 der Teilungserklärung bestimmt, was „Gegenstand des Sondereigentums” ist; dazu gehören danach insbesondere (Abs. 2 Buchst. n) „die zu den einzelnen Wohnungen gehörenden Balkone …. wobei jedoch Außenwände, Gitter, Verkleidungen und die als wesentliche Bestandteile des Gebäudes und seiner Baukonstruktion anzusehenden Teile gemeinschaftliches Eigentum sind”.

§ 10 der Teilungserklärung bestimmt:

(1) Maßnahmen, welche die einheitliche Gestaltung stören, dürfen nur mit vorheriger Zustimmung des Verwalters vorgenommen werden; das gilt insbesondere für das Anbringen von Werbevorrichtungen und Außenantennen, die Durchführung von Maßnahmen entsprechender Art auf dem Grundstück, den Balkonen und anderen Einrichtungen. Die Zustimmung des Verwalters kann durch die Eigentümerversammlung ersetzt werden.

(2) Im übrigen gilt § 22 WEG.

Am 29.4.1985 faßte die Versammlung der Wohnungseigentümer über den Tagesordnungspunkt 4 („Unzulässige Verglasung von Balkonen oder Teilen davon”) folgenden Beschluß:

Der Verwalter wird ermächtigt, gegen Familie E. (= Antragsgegner) Klage auf Beseitigung der ohne Zustimmung des Verwalters eingebauten Glasfensterkonstruktion zu erheben und gegebenenfalls die Zwangsvollstreckung zu betreiben.

Gestützt auf diesen nicht angefochtenen Eigentümerbeschluß haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegnern zu gebieten, die von ihnen am Balkon ihrer Eigentumswohnung angebrachte faltbare Glasfensterkonstruktion zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Die Antragsgegner berufen sich diesem Verlangen gegenüber vor allem darauf, daß es rechtsmißbräuchlich sei. Seit Jahren hätten zahlreiche Eigentümer Markisen der verschiedensten Farben und Rolläden angebracht sowie ihre Balkone in üppiger Weise bepflanzt. Die Glaskonstruktion falle demgegenüber viel weniger auf und beeinträchtige in keiner Weise das Erscheinungsbild der Wohnanlage.

Mit Beschluß vom 31.12.1985 hat das Amtsgericht den Beseitigungs- und Wiederherstellungsantrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluß vom 16.10.1986 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Antragsgegnern geboten, die von ihnen angebrachte Glasfensterkonstruktion zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

III.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegner seien verpflichtet, die Glasfensterkonstruktion an ihrem Balkon zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, nachdem sie den die Beseitigung betreffenden Eigentümerbeschluß vom 29.4.1985 nicht rechtzeitig angefochten hätten und der Beschluß nicht für ungültig erklärt worden sei. Der Beschluß sei für alle Wohnungseigentümer verbindlich, da er sich auf die Glasfensterkonstruktion und damit auf gemeinschaftliches Eigentum beziehe und nicht gegen eine unverzichtbare Rechtsvorschrift im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG verstoße. Der Eigentümerbeschluß bestimme zwar nicht ausdrücklich, daß die Antragsgegner die Glasfensterkonstruktion zu beseitigen hätten. Er bringe aber klar und unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Gemeinschaft sie nicht billige und ihre Beseitigung begehre. Die Ermächtigung des Verwalters, Klage auf Beseitigung zu erheben, könne nur so verstanden werden. Die Antragsteller hätten somit das Recht, entsprechend dem Eigentümerbeschluß vom 29.4.1985 zu verfahren.

Der Anspruch sei nicht verwirkt. Die Antragsgegner hätten keine Umstände dartun können, die bei ihnen den Eindruck erweckt hätten, daß die...

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