Leitsatz (amtlich)

1. Bestimmungen in den Verdingungsordnungen, wonach der Zuschlag nicht auf ein sog. Unterangebot erteilt werden darf, können drittschützenden Charakter haben (Anschluss an BayObLG BayObLGZ 2002, 177).

2. Zur Glaubhaftmachung einer Rüge, dass das angebotene Beschallungssystem eines Mitbieters den geforderten Standard (hier EN 60849 - Elektroakustische Notfallsysteme -) nicht erfüllt.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 02.07.2004; Aktenzeichen 320.VK-3194-21/04)

 

Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 2.7.2004 zu verlängern, wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin und Vergabestelle schrieb für den Umbau ihres Fußballstadions die Beschallungsanlagen im Offenen Verfahren nach § 3a Buchst. a VOB/A im Rahmen des 80 %-Kontingents Europaweit aus. Der Zuschlag soll auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung der Kriterien Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischer Wert, rationeller Baubetrieb, sparsame Wirtschaftsführung als das wirtschaftlichste erscheint. Das Leistungsverzeichnis enthält den Hinweis, dass entsprechend den Anforderungen nach der EN 60849 für elektroakustische Notfallwarnsysteme (EN) für die 100-V-Anlage das Fabrikat der Firma D. zugrunde gelegt wird und die Abgabe anderer Konzepte mit anderen Fabrikaten erwünscht und in Form eines Nebenangebots abzugeben sei. Die angeführte technische Norm gilt für Schallverstärkungs- und Schallverteilungssysteme, die in Notfallsituationen eingesetzt werden, um Personen zu veranlassen, ein Gebäude oder einen Bereich schnell und geordnet zu räumen. Für mehrere Positionen des Leistungsverzeichnisses, wie etwa den Systemprozessor (02.0026), die Betriebs-Software (02. 0036), den Digital-Message-Manager (02.0037), den Leistungsverstärker 400 W (02.0040), den Havarie-Verstärker 400 W (02.0046), die digitale Mikrofon-Sprechstelle (02.0054) und die digitale Feuerwehr-Sprechstelle (02.0055), wird das Sicherheits-Leistungsmerkmal "Selbstüberwachung nach EN 60849/VDE 0828" verlangt.

Neun Firmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, gaben Angebote ab. Nach rechnerischer Prüfung lag das Angebot der Antragstellerin mit 1.031.074,80 Euro an zweiter, das der Beigeladenen mit 734.610,95 Euro an erster Stelle. In ihrem Begleitschreiben zum Angebot vom 1.4.2004 wies die Antragstellerin u.a. darauf hin, dass das Leistungsverzeichnis die Einhaltung der EN fordere. Das von ihr angebotene alternative System erlaube eine dauerhafte Überwachung der Lautsprecherlinien, um die Forderung der EN 60849 zur Fehlererkennung innerhalb von 100 Sekunden zu gewährleisten. Dieses sei nach ihrem Kenntnisstand durch das ausgeschriebene D.-System nicht dauerhaft möglich. Schon in einem vorangegangenen Schreiben vom 26.3.2004 hatte die Antragstellerin beanstandet, dass die im Leistungsverzeichnis beschriebene Anlage in verschiedener Hinsicht die Einhaltung der EN 60849 nicht gewährleiste.

Auf die Mitteilung der Vergabestelle vom 28.5.2004, dass beabsichtigt sei, den Auftrag an die Beigeladene als wirtschaftlich günstigsten Bieter zu vergeben, hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel beantragt, die Vergabestelle zu verpflichten, anstelle der Beigeladenen ihr den Auftrag zu erteilen, hilfsweise das Vergabeverfahren nicht weiterzuführen und der Vergabestelle die Erteilung des Zuschlags an andere Bieter zu untersagen. Sie hat ihren Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass das Angebot der Beigeladenen die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht erfülle. Das im Ausschreibungstext vorgeschlagene und von der Beigeladenen auch angebotene D.-System sei nicht in der Lage, die Anforderungen der EN 60489 hinsichtlich automatischer Fehlerüberwachung ohne Unterbrechung laufender Übertragungen zu gewährleisten. Insbesondere könne der angebotene Systemprozessor DPM 4000 nicht die geforderten und vorgeschriebenen Fehleranzeigen wiedergeben. Damit sei die Betriebsbereitschaft der Anlage nicht ununterbrochen sichergestellt. Zur Untermauerung ihres Vortrags hat sie sich auf einen von ihr erholten Prüfbericht eines Sachverständigen vom 28.6.2004 berufen, der die für ein anderes Projekt der Antragstellerin gelieferten D.-Anlagenkomponenten anhand der EN 60849 auf Mängel untersucht und solche festgestellt hat. Überdies hat die Antragstellerin das Angebot der Beigeladenen als nicht auskömmlich beanstandet, weil es um ca. 28,75 % von dem zweitplatzierten, ihrem eigenen Angebot, abweiche.

Die Antragsgegnerin hat die Abweisung der Anträge begehrt und sich im Wesentlichen darauf berufen, dass die sie beratenden Ingenieure die Übereinstimmung des ausgeschriebenen D.-Systems mit den Anforderungen nach EN 60849 festgestellt hätten. Sie hat, unterstützt von der Beigeladenen, auch auf Prüfberichte verwiesen, gemäß deren das Anlagensystem in anderen Projekten als mit den EN 60849 konform be...

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