Leitsatz (amtlich)

1. Überprüfung eines Angebots auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen an elektroakustische Notfallwarnsysteme nach EN 60849 (= VDE 0828).

2. Es bildet nicht die Regel, sondern die Ausnahme, dass der Auftraggeber über die allgemeine Beschreibung der Bauaufgabe und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis hinaus die Leistung vorab auch zeichnerisch, etwa durch Pläne, den Bietern darzustellen hat.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Nordbayern (Aktenzeichen 320. VK-3194-21/04)

 

Tenor

I. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, dass sie durch die Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene in ihren Rechten verletzt worden sei, wird abgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 GWB zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51.554 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Stadt (Antragsgegnerin und Vergabestelle) schrieb für den Umbau ihres Fußballstadions die Beschallungsanlagen im Offenen Verfahren nach § 3a Buchst. a VOB/A im Rahmen des 80 %-Kontingents Europaweit aus. Der Zuschlag sollte auf das Angebot erteilt werden, das unter Berücksichtigung der Kriterien Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Rentabilität oder technischer Wert, rationeller Baubetrieb, sparsame Wirtschaftsführung als das wirtschaftlichste erscheint. Das Leistungsverzeichnis enthält den Hinweis, dass entsprechend den Anforderungen nach der EN 60849 für elektroakustische Notfallwarnsysteme (im Folgenden: EN) für die 100 V-Anlage das Fabrikat der Firma D. zugrunde gelegt wird und die Abgabe anderer Konzepte mit anderen Fabrikaten erwünscht und in Form eines Nebenangebots abzugeben sei. Die angeführte Europäische Norm, der die nationale Norm VDE 0828 entspricht, gilt für Schallverstärkungs- und Schallverteilungssysteme, die in Notfallsituationen eingesetzt werden, um Personen zu veranlassen, ein Gebäude oder einen Bereich schnell und geordnet zu räumen. Für mehrere Positionen des Leistungsverzeichnisses wird das Sicherheits-Leistungsmerkmal "Selbstüberwachung nach EN 60849/VDE 0828" verlangt.

Neun Firmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, gaben Angebote ab. Nach rechnerischer Prüfung lag das Angebot der Antragstellerin mit 1.031.074,80 Euro an zweiter, das der Beigeladenen mit 734.610,95 Euro an erster Stelle. In ihrem Begleitschreiben zum Angebot v. 1.4.2004 wies die Antragstellerin u.a. darauf hin, dass das Leistungsverzeichnis die Einhaltung der EN fordere und das von ihr angebotene alternative System eine dauerhafte Überwachung der Lautsprecherlinien erlaube, um die Anforderungen der Norm zur Fehlererkennung innerhalb von 100 Sekunden zu gewährleisten. Dieses sei nach ihrem Kenntnisstand durch das ausgeschriebene D.-System nicht dauerhaft möglich. Bereits in einem vorausgegangenen Schreiben v. 26.3.2004 hatte die Antragstellerin das Fehlen verschiedener Ausführungspläne zum Leistungsverzeichnis gerügt und beanstandet, dass die im Leistungsverzeichnis beschriebene Anlage in verschiedener Hinsicht die Einhaltung der EN nicht gewährleiste.

Auf die Mitteilung der Vergabestelle v. 28.5.2004, dass beabsichtigt sei, den Auftrag an die Beigeladene als wirtschaftlich günstigster Bieterin zu vergeben, hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel beantragt, die Vergabestelle zu verpflichten, anstelle der Beigeladenen ihr den Auftrag zu erteilen, hilfsweise das Vergabeverfahren nicht weiterzuführen und der Vergabestelle die Erteilung des Zuschlags an andere Bieter zu untersagen. Für ihre Behauptung, die Anlagenkomponenten der Firma D. erfüllten die Anforderungen der EN nicht, hat sie sich auf einen von ihr erholten Prüfbericht eines Sachverständigen v. 28.6.2004 berufen, der die für ein anderes Projekt der Antragstellerin gelieferten D.-Anlagenkomponenten anhand der EN auf Mängel untersucht und solche festgestellt hat. Überdies hat die Antragstellerin das Angebot der Beigeladenen als nicht auskömmlich beanstandet.

Die Antragsgegnerin hat sich im Wesentlichen darauf berufen, dass die sie beratenden Ingenieure die Übereinstimmung des ausgeschriebenen D.-Systems mit den Anforderungen der maßgeblichen Norm festgestellt hätten. Sie hat, unterstützt von der Beigeladenen, auch auf Prüfberichte verwiesen, gem. deren das Anlagensystem in anderen Projekten als EN-konform bezeichnet und als selbstüberwachendes Anlagenkonzept zertifiziert wurde. Das Angebot der Beigeladenen sei überdies auch auskömmlich.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss v. 2.7.2004 den Nachprüfungsantrag abgelehnt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin habe ihre Behauptung nicht ausreichend belegen können, dass die ausgeschriebene Anlage die Anforderungen der EN nicht erfülle. Es liege auch kein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung und deshalb kein Unterangebot vor.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?