Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinserteilung. Bestimmung des zuständigen Nachlaßgerichts. Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die dem Nachlaßgericht obliegende Erteilung eines Erbscheins zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Häftlingshilfegesetz (§§ 2353, 2369 Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB; § 72 FGG) richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach § 73 Abs. 3 FGG; denn die Erblasserin war Ausländerin und hatte zur Zeit des Erbfalls in Deutschland weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so daß es gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 FGG darauf ankommt, wo sich Nachlaßgegenstände befinden (§ 73 Abs. 3 Satz 1 FGG).
2. Bei einem ausländischen Erblasser ohne Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland können mehrere örtlich zuständige Nachlaßgerichte in Betracht kommen, wenn mehrere gesetzliche Miterben Ansprüche anteilig bei verschiedenen Ausgleichsämtern geltend machen, welche in den Bezirken verschiedener Nachlaßgerichte liegen. In derartigen Fällen kann in Nachlaßsachen das örtlich zuständige Nachlaßgericht ausnahmsweise gemäß §§ 4, 5 FGG bestimmt werden.
3. Es ist zweckmäßig, das Gericht als örtlich zuständiges Nachlaßgericht zu bestimmen, das bereits zwei gegenständlich beschränkte Teilerbscheine für die Lastenausgleichsansprüche aufgrund desselben Erbfalls an zwei Miterben der Beteiligten erteilt hat
Normenkette
BGB § 2369; FGG §§ 4-5, 73 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Schweinfurt (Aktenzeichen VI 212/84) |
Tenor
Als örtlich zuständig wird das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Schweinfurt bestimmt.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin, eine Staatsangehörige der ehemaligen UdSSR, ist im Jahr 1955 an ihrem letzten Wohnsitz im Gebiet Karaganda/UdSSR verstorben. Sie war verwitwet und hatte sechs Kinder. Die Beteiligte ist die Enkelin eines im Jahr 1938 vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin. Der Vater der Beteiligten ist im Jahr 1990 verstorben. Zwei in Schweinfurt wohnhafte Töchter der Erblasserin hatten nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland vom Nachlaßgericht Schweinfurt einen gegenständlich beschränkten gemeinschaftlichen Teilerbschein für Lastenausgleichszwecke im Jahr 1984 erteilt bekommen. Die Beteiligte hat am 15. Juli 1992 einen Teilerbschein zu 1/18 beantragt, um ihre Ansprüche nach dem Häftlingshilfegesetz gegenüber dem Ausgleichsamt Pforzheim zu belegen. Das Nachlaßgericht Schweinfurt hält im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht sich für zuständig, sondern das Nachlaßgericht in Pforzheim. Mit Verfügung vom 22.7.1992 hat es die Akten „zuständigkeitshalber” an das Notariat Pforzheim I – Nachlaßgericht – gesandt. Dieses hat die Übernahme abgelehnt, weil es dasjenige Nachlaßgericht als zuständig erachtet, das bereits einen Teilerbschein erteilt hat. Nachdem sich die beteiligten Nachlaßgerichte auch im weiteren über die Frage der Zuständigkeit nicht einigen konnten, legte das Amtsgericht Schweinfurt die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.
Entscheidungsgründe
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung zuständig (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 AGGVG); denn das mit der Sache zuerst befaßte Amtsgericht Schweinfurt liegt in einem bayerischen Oberlandesgerichtsbezirk.
2. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 5 Abs. 1 FGG sind gegeben (vgl. BayObLGZ 1991, 6/7).
3. Als örtlich zuständig wird das Amtsgerichts – Nachlaßgericht – Schweinfurt bestimmt.
a) Für die dem Nachlaßgericht obliegende Erteilung eines Erbscheins zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Häftlingshilfegesetz (§§ 2353, 2369 Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB; § 72 FGG) richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach § 73 Abs. 3 FGG; denn die Erblasserin war Ausländerin und hatte zur Zeit des Erbfalls in Deutschland weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so daß es gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 FGG darauf ankommt, wo sich Nachlaßgegenstände befinden (§ 73 Abs. 3 Satz 1 FGG).
b) Als Nachlaßgegenstände, die gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 FGG die Zuständigkeit für den Erbscheinsantrag der Beteiligten begründen, kommen hier Ansprüche nach dem Häftlingshilfegesetz (Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Personen), die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz) i.d.F. vom 5.2.1987 (BGBl. Teil I S. 513) in Betracht. Sie richten sich gegen die Bundesrepublik Deutschland und können als zum Nachlaß gehörend angesehen werden, wenn die Erblasserin zu ihren Lebzeiten von einem Schaden, den das Häftlingshilfegesetz ausgleichen soll, betroffen worden ist. Insoweit können die Grundsätze gelten, die für Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz von der Rechtsprechung herangezogen wurden (BayObLGZ 1991, 6/8 m.w.Nachw.). Es kommt deshalb darauf an, an welchem Ort sich die Nachlaßgegenstände, nämlich die Ansprüche aus dem Häftlingshilfegesetz im Sinn des § 73 Abs. 3 Satz 1 FGG. befinden. Die Belegenheit der Forderung richtet sich nach de...