Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Entziehung des elterlichen Sorgerechts der unverheirateten Mutter. Abänderung der Amtsvormundschaft in Ergänzungspflegschaft durch das Rechtsbeschwerdegericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entziehung des elterlichen Sorgerechts der unverheirateten Mutter vor und nach Inkrafttreten des KindRG.

2. Ist nach Entzug der elterlichen Sorge Amtsvormundschaft angeordnet worden, kann das Rechtsbeschwerdegericht, soweit keine weiteren Sachverhaltsfeststellungen notwendig sind, diese in Ergänzungspflegschaft abändern, wenn nur der Entzug eines Teils der elterlichen Sorge (hier: Personensorge) gerechtfertigt ist.

 

Normenkette

BGB n.F. § 1666 Abs. 1-2, § 1666a Abs. 2, § 1626a; BGB §§ 1773, 1909; KindRG Art. 15 § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Beschluss vom 28.05.1998; Aktenzeichen 1 T 33/98)

AG Viechtach (Beschluss vom 29.01.1998; Aktenzeichen VII 52/96)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 28. Mai 1998 dahin abgeändert, daß Satz 1 des Beschlusses des Amtsgerichts Viechtach vom 29. Januar 1998 geändert wird wie folgt:

Der Beteiligten zu 1 wird die Personensorge für das Kind … entzogen und dem Kreisjugendamt als Pfleger übertragen.

II. Im übrigen wird die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 28. Mai 1998 zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das 1996 geborene Kind ist die Tochter der Beteiligten zu 1 und 2. Die 1976 geborene Mutter ist tschechische Staatsangehörige und gehört der Volksgruppe der Roma an. Sie lebt mit dem Vater, einem 1955 geborenen deutschen Staatsangehörigen, zusammen, der die Vaterschaft anerkannt hat. Er ist anderweit verheiratet und hat vier minderjährige Kinder, die bei der getrennt lebenden Ehefrau leben und gegen ihn einen Unterhaltsanspruch von monatlich DM 849,– haben.

Am 5.11.1996 wies der Vater die Mutter aus der gemeinsamen Wohnung. Mit Hilfe der Polizei gelang es der Mutter, das in der Wohnung zurückgebliebene Kind an sich zu nehmen. Am 12.11.1996 kehrte sie mit dem Kind zum Vater zurück. Anfang 1997 erhielt die Mutter Erziehungshilfe (Frühförderung) durch eine tschechisch sprechende Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes. Am 31.5.1997 hatten die Eltern eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf die Mutter das Kind auf den Boden fallen ließ.

Wegen dieser Vorgänge leitete das Vormundschaftsgericht ein Verfahren zur Vorbereitung erforderlicher Maßnahmen ein und hörte die Eltern am 17.7.1997 an. Dabei verwies der Vater auf seine Erfahrung aus neun Jahren Strafhaft und lehnte weitere Erziehungshilfe für Mutter und Kind ab. Nach weiteren Hausbesuchen durch Mitarbeiter des Kreisjugendamtes und einer weiteren richterlichen Anhörung der Mutter am 27.8.1997 beschloß das Vormundschaftsgericht, ein Gutachten der öffentlich bestellten und staatlich beeidigten Sachverständigen für forensische Psychologie S. zu erholen über die Notwendigkeit, die elterliche Sorge für das Kind zu regeln. Zu dem Sachverständigengutachten vom 9.12.1997 erhielten die Eltern und das Kreisjugendamt Gelegenheit zur Stellungnahme. Zum Termin der richterlichen Anhörung vom 29.1.1998 erschienen Mutter und Kind nicht.

Das Vormundschaftsgericht hat am 29.1.1998 folgenden Beschluß gefaßt:

Die Personensorge und die Vermögens sorge für das Kind wird der Mutter entzogen und dem Kreisjugendamt als Vormund übertragen.

Die Mutter und der Vater werden verpflichtet, das Kind an das Kreisjugendamt herauszugeben, damit das Kind in einer Pflegefamilie untergebracht werden kann.

Der zuständige Gerichtsvollzieher wird bei Vollstreckung der Herausgabeanordnung ermächtigt, notfalls Gewalt anzuwenden und sich der Hilfe der zuständigen Polizeidienststelle zu bedienen.

Am 4.2.1998 hat der Gerichtsvollzieher das Kind abgeholt und dem Kreisjugendamt übergeben, das es bei einer Pflegefamilie untergebracht hat. Gegen den ihr am 4.2.1998 zugestellten Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 29.1.1998 hat die Mutter Beschwerde eingelegt, der das Vormundschaftsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Vorbereitung der Beschwerdeentscheidung hat das Landgericht die Eltern, die Vertreter des Kreisjugendamtes und die Sachverständige angehört. Mit Beschluß vom 28.5.1998 hat es die Beschwerde der Mutter zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten weitere Beschwerde einlegen lassen, mit der sie sich weiterhin gegen die Entziehung des Sorgerechts für das Kind wendet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist im wesentlichen unbegründet.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist auch nach dem Inkrafttreten (1.7.1998) des Kindschaftsrechtsreformgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I 2942 f.) zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen.

a) Zwar fallen nunmehr gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls in die Zuständigkeit des Familiengerichts (§ 1666 Abs. 1, § 1667 Abs. 1 und 2 BGB i.d.F. des Art. 1 Nr. 17 und 18 KindRG i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.d.F. des Art....

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