Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfreiheit
Leitsatz (amtlich)
Die Grenzen für die Zulässigkeit einer Zuwendung von Todes wegen zugunsten einer Person, die vom Erblasser umfassende Vorsorgevollmacht erhalten hat, sind anhand der allgemeinen Vorschriften, insbesondere nach § 138 Abs. 1 BGB zu bestimmen; eine analoge Anwendung des § 14 HeimG scheidet wegen des darin liegenden Eingriffs in die Testierfreiheit aus.
Normenkette
HeimG § 14; GG § 14 Abs. 1 S. 1; BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 22.04.2002; Aktenzeichen 16 T 11168/01) |
AG München (Aktenzeichen 64 VI 10043/99) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 22. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Beschwerdeverfahren bei dem Landgericht – insoweit unter Abänderung der Ziffer II. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 22. April 2002 – und die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Antrag der Beteiligten zu 2, ihr für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der am 22.7.1999 im Alter von 65 Jahren verstorbene Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hatte mit eigenhändigem Testament vom 19.3.1992 seinen ebenfalls unverheirateten und kinderlosen Bruder zu seinem Alleinerben eingesetzt. Dieser verstarb am 4.2.1999.
Neben dem Testament vom 19.3.1992 liegt ein weiteres eigenhändiges Testament des Erblassers vom 15.2.1999 vor. Dieses hat folgenden Wortlaut:
„Im Falle meines Ableben soll … (Beteiligte zu 1) alleiniger Ebe sein.”
Zwischen der Beteiligten zu 1, dem Erblasser und seinem Bruder bestand seit etwa 30 Jahren eine Bekanntschaft. Nach dem Tod des Bruders organisierte die Beteiligte zu 1 dessen Beerdigung und bot dem Erblasser ihre weitere Unterstützung bei Erledigung seiner persönlichen und geschäftlichen Angelegenheiten an. Außerdem vermittelte sie dem Erblasser einen in ihrer Nachbarschaft wohnenden Rechtsanwalt als Berater in vermögensrechtlichen und geschäftlichen Fragen sowie zur Erledigung von Steuerangelegenheiten. Am 9.2.1999 erteilte der Erblasser der Beteiligten zu 1 eine uneingeschränkte Vollmacht zur Erledigung seiner privaten und geschäftlichen Angelegenheiten und am 25.2.1999 erneut der Beteiligten zu 1 sowie seinem Rechtsanwalt eine umfassende, über den Tod hinaus gültige Vollmacht zur Vertretung in persönlichen und finanziellen Angelegenheiten.
Der Erblasser befand sich zur stationären Behandlung eines Krebsleidens im Krankenhaus, in dem die Beteiligte zu 1 als Verwaltungsangestellte tätig war.
Die Beteiligte zu 1 beantragte gestützt auf das Testament vom 15.2.1999 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.
Die Beteiligten zu 2 bis 10 machen geltend, der Erblasser sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihnen beerbt worden. Sie sind der Ansicht, das Testament vom 15.2.1999 stamme nicht vom Erblasser; jedenfalls sei dieser bei Testamentserrichtung nicht testierfähig gewesen. Außerdem werde das Testament angefochten, weil der Erblasser von der Beteiligten zu 1 bei Errichtung des Testaments unter Druck gesetzt worden sei.
Die Beteiligte zu 11 trägt vor, ihr stünden aus einem Testament des Erblassers aus dem Jahre 1998, das nicht aufgefunden worden sei, Erbansprüche zu.
Das Amtsgericht hat zu den in bezug auf die Urheberschaft des Testaments vom 15.2.1999 und die Testierfähigkeit des Erblassers aufgeworfenen Fragen Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen, Anhörung von Beteiligten und Erholung von Sachverständigengutachten. Die mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob das Testament vom 15.2.1999 vom Erblasser eigenhändig geschrieben wurde, beauftragte öffentlich bestellte und beeidigte Sachverständige für Handschriftenvergleichung kam in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, daß das Testament mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Hand des Erblassers geschrieben und unterschrieben wurde. Es erscheine jedoch aufgrund des Gesundheitszustands und der Handschrift des Erblassers am 15.2.1999 ausgeschlossen, daß das Testament an dem im Datum angegebenen Tag gefertigt wurde. Das daraufhin zur Frage des Zeitpunkts der Testamentserrichtung erholte Gutachten eines Sachverständigen für Urkundentechnik ergab, daß mit urkundentechnischen Mitteln der Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht festgestellt werden kann.
Zur Frage der Testierfähigkeit erholte das Amtsgericht Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und beauftragte einen Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin mit der Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, für den seinem Gutachtensauftrag zugrundeliegenden Zeitraum vom 4.2.1999 bis 21.2.1999 bestünden keine hinreichenden oder sicheren Anhaltspunkte dafür, daß bei dem Erblasser eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder Bewußtseinsstörung vorgelegen hab...