Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Nachteilige bauliche Veränderung durch Balkonverglasung

 

Beteiligte

die übrigen Wohnungseigentümer der Wohnanlage … in… (Eigentümerliste in der Anlage zum Antrag vom 6.5.1986)

 

Verfahrensgang

LG München II (Entscheidung vom 19.02.1987; Aktenzeichen 6 T 1771/86)

AG Freising (Entscheidung vom 08.08.1986; Aktenzeichen 2 UR II 5/86)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des Landgerichts München II vom 19. Februar 1987 und des Amtsgerichts Freising – Zweigstelle Moosburg – vom 8. August 1986 aufgehoben.

II. Der Eigentümerbeschluß vom 9. April 1986 zu Tagesordnungspunkt 3 wird für ungültig erklärt.

III. Die Antragsgegner haben samtverbindlich die Gerichtskosten aller Rechtszüge zu tragen.

Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

IV. Die Anschlußbeschwerde der Antragsgegner wird zurückgewiesen.

V. Der Geschäftswert für die Verfahren aller Rechtszüge wird unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Freising – Zweigstelle Moosburg – vom 15. September 1986 auf je 5 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

1. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Teilungserklärung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 5

Rechte und Pflichten des Wohnungseigentümers.

(5) Die Wohnungseigentümer dürfen die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes nicht eigenmächtig verändern. Dies gilt auch für den Aussenanstrich des Gebäudes, der Fenster, Roll- und Klappläden, Loggien- bzw. Balkonverkleidungen und der Wohnungsabschlußtüren. Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstriches der Gebäude bedürfen des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit.

§ 16

Eintragungsbewilligung und -antrag.

(1) Herr F.M. bewilligt und beantragt, daß im Grundbuch

  1. die Bestimmungen gemäß §§ 6 bis 15 der Teilungserklärung als Inhalt des Sondereigentums,

eingetragen werden.

§ 5 Abs. 5 der Teilungserklärung ist nicht als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen.

In der Versammlung vom 9.4.1986 faßten die Wohnungseigentümer mit 34 von insgesamt 37 Stimmen zu Tagesordnungspunkt (TOP) 3 folgenden Beschluß:

Ich bin damit einverstanden, daß jeder Balkon mit einer Glasverkleidung nach dem in der Verwaltung vorliegenden Plan ausgestattet werden kann. Es ist aber jedem Wohnungseigentümer freigestellt ob und wann er dies tut.

2. Die Antragsteller haben beantragt, diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 8.8.1906 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluß vom 19.2.1987 zurückgewiesen. Beide Gerichte haben die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angeordnet. Gegen den Beschluß des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller. Die Antragsgegner treten dieser entgegen und beantragen im Weg der Anschlußbeschwerde anzuordnen, daß die Antragsteller ihnen die in allen drei Rechtszügen entstandenen Kosten zu erstatten haben.

II.

Das Rechtsmittel der Antragsteller ist begründet. Es führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts und zur Ungültigerklärung des beanstandeten Eigentümerbeschlusses.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschlußgegenstand zu TOP 3 sei in dem Einberufungsschreiben ausreichend bezeichnet worden. Wenn eine Angelegenheit bereits früher erörtert worden sei, reiche eine schlagwortartige Bezeichnung aus. Die Wohnungseigentümer hätten nach einer vorhergegangenen Besprechung in einer Eigentümerversammlung mittels eines Rundschreibens Gelegenheit erhalten, von der Planung einer Fachfirma Kenntnis zu nehmen. Bei dieser Sachlage sei eindeutig gewesen, was unter dem angekündigten TOP 3 zu verstehen sei.

Die Wohnungseigentümer hätten nicht nur über die Anbringung von Balkonverkleidungen abstimmen dürfen, sondern auch über deren Ausgestaltung sowie darüber, ob die Anbringung einer Verkleidung jedem Eigentümer freigestellt sei.

Der Beschluß der Wohnungseigentümer sei ordnungsgemäß zustandegekommen. Nach § 5 Abs. 5 der Teilungserklärung seien die Eigentümer berechtigt, eine bestimmte Ausführungsart zu beschließen. Die Antragsteller würden durch den Eigentümerbeschluß nicht in unzulässiger Weise in ihren Rechten beeinträchtigt. Wenn nicht alle Balkone verkleidet würden, stehe dem ästhetischen Gesichtspunkt der Umstand gegenüber, daß die Benutzbarkeit der Balkone in höheren Stockwerken ohne Verkleidung erheblich eingeschränkt sei und sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis für jeden Wohnungseigentümer anders darstellen könne.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der beanstandete Eigentümerbeschluß ist an § 22 Abs. 1 WEG zu messen. Er kann keinen Bestand haben, weil den Antragstellern durch die mit der Verkleidung einzelner Balkone verbundene ästhetische Beeinträchtigung des Gesamteindrucks der Wohnanlage ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst (§ 22 Abs. 1 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?