Leitsatz (amtlich)
Zur Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten”.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 33 T 945/01) |
AG Amberg (Aktenzeichen XVII 434/01) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Amberg vom 1.2.2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 20.8.2001 bestellte das AG für die Betroffene deren Tochter S. zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis alle Angelegenheiten einschl. Entgegennahme und Öffnen der Post. Die Beschwerde der Beteiligten, der Tochter E. der Betroffenen, hat das LG am 11.2.2002 zurückgewiesen. Hiergegen legte die Beteiligte mit Schreiben vom 31.3.2002 „Widerspruch” und am 13.5.2002 zu Protokoll der Geschäftsstelle des LG weitere Beschwerde ein.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insb. formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 4 i.V.m. § 121 Abs. 2 S. 1 FGG).
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Beschwerde sei zulässig, die Beteiligte sei gem. § 69g Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt. Das AG habe die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers zutreffend bejaht. Die Betroffene leide nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. an einer schweren Demenz vom Alzheimer-Typ. Zu einer freien Willensbildung sei die Betroffene nicht in der Lage, sie sei geschäftsunfähig und könne ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln. Die Auswahl der Betreuerin sei nicht zu beanstanden. Die Betroffene selbst habe sich zur Person der Betreuerin nicht geäußert. An der persönlichen Eignung der vom AG ausgewählten Betreuerin habe die Kammer keinen Zweifel. Die räumliche Entfernung stehe der Eignung nicht entgegen. Für die Bestellung eines Dritten als Betreuer bestehe kein Anlass, da eine innige persönliche Bindung der Betreuerin zu ihrer Mutter bestehe. Auch eine besser geeignete Verwandte sei nicht vorhanden. Insbesondere halte die Kammer die Beschwerdeführerin nicht für besser geeignet als ihre Schwester.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) i.E. stand.
a) Rechtlich nicht zu beanstanden sind die Ausführungen der Kammer zu der Erforderlichkeit der Bestellung eines Betreuers für die Betroffene. Hingegen fehlen Darlegungen zur Erforderlichkeit der der Betreuerin übertragenen Aufgabenkreise. Dies führt aber nicht zur Zurückverweisung der Sache an das LG, da der Senat die erforderlichen Feststellungen, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, aus den ihm auf Grund des Rechtsfehlers des Beschwerdegerichts zugänglichen Akten selbst treffen kann (vgl. BayObLG NJWE-FER 1999, 151 [152]).
aa) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das VormG einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Ohne das Einverständnis des Betroffenen ist die Bestellung eines Betreuers nur zulässig, wenn der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1994, 209 [211], BayObLGReport 1994, 76 = v. 11.4.2001 – 3Z BR 83/01, FamRZ 2001, 1244; OLG Hamm v. 13.7.1999 – 15 W 145/99, OLGReport Hamm 1999, 378 = FamRZ 2000, 494 [496]; OLG Köln v. 16.4.1999 – 16 Wx 44/99, OLGReport Köln 1999, 388 = FamRZ 2000, 908). Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. z.B. BayObLG BtPrax 2002, 38 m.w.N.). Die Bestellung eines Betreuers „zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen” ist vom Gesetz anerkannt (vgl. z.B. § 67 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 691 Abs. 1 S. 1 FGG), soll aber die Ausnahme bleiben (vgl. BayObLG v. 22.10.1996 – 3Z BR 178/96, BayObLGZ 1996, 262 [263] = BayObLGReport 1997, 38, m.w.N.). Nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1896 Abs. 2, § 1908d Abs. 3 BGB; vgl. BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1994, 209 [211 f.] = BayObLGReport 1994, 76 = FamRZ 1995, 1085) kommt eine Betreuung des Betroffenen in allen seinen Angelegenheiten nur in Betracht, wenn er aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung keine seiner Angelegenheiten (mehr) selbst besorgen kann. Abzustellen ist dabei auf seine konkrete Lebenssituation, d.h. auf seine soziale Stellung und seine bisherige Lebensgestaltung. Voraussetzung ist, dass der Betroffene nicht (mehr) imstande ist, den seiner konkreten Lebenssituation entspr. Alltag wenigstens teilweise zu beherrschen und zu gestalten (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 452 [456] m.w.N.). Hinzukommen muss, dass bezüglich sämtlicher Bereiche, welche die konkrete Lebenssituation des Betroffenen ausmachen, auch Handlungsbedarf besteht (vgl. BayObLG v. 22.12.1994 – 3Z BR 250/94, BayObLGReport 1995, 27 = BtPrax 1995, 64 [65]; v. 12.3.1997 – 3Z BR 47/97, BayObLGReport 1997, 45 = NJW-RR 1997, 967). Ob die Bereiche, für die ein Betreuer zu bestellen ist, alle Angelegenheiten des Betroffenen ausmachen, ist Fr...