Leitsatz (amtlich)

1. Will die JVA eine Lockerung wegen Missbrauchsgefahr ablehnen, hat sie nachvollziehbar darzulegen, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernstlich zu befürchten steht, der Gefangene werde die Maßnahme zur Begehung einer Straftat ausnutzen. Der Missbrauch bezieht sich auf Straftaten aller Art, nicht nur erheblicher.

2. Die Vollzugsbehörde hat dazu eine Prognoseentscheidung zu treffen. In ihrem Bescheid hat sie nachvollziehbar darzulegen, dass aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernstlich zu befürchten steht, der Gefangene werde die Maßnahme zur Begehung einer Straftat ausnutzen.

3. Dazu sind die relevanten Tatsachen von der Vollzugsbehörde konkret festzustellen; sodann ist eine Gesamtabwägung aller für die Entscheidung relevanten Umstände vorzunehmen.

4. Weiteren bis zur Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bei ihr anhängig gemachten Verpflichtungsanträgen auf Gewährung von Ausgang steht das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit entgegen.

 

Normenkette

BayStVollzG Art. 13 Abs. 1 Nr. 2; StVollzG §§ 11, 109

 

Verfahrensgang

AG Straubing (Entscheidung vom 13.04.2023; Aktenzeichen SR StVK 1222/22)

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 13. April 2023 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
  2. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1000.- EUR festgesetzt.
  3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.
  4. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird als unzulässig verworfen.
 

Gründe

A

Der Beschwerdeführer, der sich seit dem 9. Dezember 2019 in Haft befindet und seit dem Jahr 2022 vermehrt Anträge auf Ausgang stellt, wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 13. April 2023. Der Entscheidung lag zugrunde, dass die Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 die Gewährung eines vom Beschwerdeführer am 15. Oktober 2022 für den 11. Dezember 2022 beantragten Ausgangs abgelehnt hatte. Zuletzt hat der Antragsteller im Strafvollzugsverfahren beantragt, festzustellen, dass die Ablehnung des Antrags vom 15. Oktober 2022 auf Ausgang für den 11. Dezember 2022 mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 rechtswidrig gewesen sei, sowie die Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing schnellstmöglich zu verpflichten, ihm Lockerungen in Form von Ausgang zu gewähren, hilfsweise ihn neu zu verbescheiden. Die Justizvollzugsanstalt hat im Strafvollzugsverfahren die Voraussetzungen für die beantragte Lockerung als nicht gegeben erachtet und die Bewilligung von Ausgang unter Berufung auf die Missbrauchsgefahr verweigert. Die Strafvollstreckungskammer hat zunächst mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 einen Antrag als "unzulässig unbegründet" zurückgewiesen und ist nunmehr, nachdem jene Entscheidung mit Beschluss des Senats vom 6. Februar 2023 auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen hin aufgehoben worden ist, nach Anhörung der Anstalt und des Betroffenen in dem angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen in Form eines Ausgangs nicht vorliegen. Sie hat daraufhin sowohl den Feststellungsantrag als auch den Verpflichtungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Strafgefangene und macht mit seiner erneuten Rechtsbeschwerde formelle und materielle Rügen geltend. Er beantragt neben der Aufhebung der Entscheidung die Verpflichtung der JVA, ihm Ausgang zu gewähren, ferner die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die Beiordnung eines Rechtsanwalts und die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz und erhebt die Verzögerungsrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

B

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Rechtsbeschwerde bietet Anlass, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

C

Die Rechtsbeschwerde erweist sich als unbegründet.

I. Die Verfahrensrügen sind unzulässig.

1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG) geltend macht, weil die Strafvollstreckungskammer seine Anträge auf Vernehmung eines Vollzugsinspektors und auf Einholung eines Lockerungsgutachtens übergangen habe, sind entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben.

a) Nach der genannten Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Diese Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdege...

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