Leitsatz (amtlich)

Die fehlende Unterschrift des Beschwerdeführers hindert die Annahme einer formwirksamen Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht, wenn in ihr die übrigen notwendigen Bestandteile einer Niederschrift enthalten sind und der Betroffene seine Unterschrift nur deshalb verweigert hat, weil die Rechtspflegerin ein von ihm mitgebrachtes schriftliches Konvolut nicht zum Gegenstand der Niederschrift machen wollte.

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 27.08.2004; Aktenzeichen 42 T 333/04)

AG Kempten (Aktenzeichen XVII 265/01)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG Kempten v. 27.8.2004 wird dahingehend abgeändert, dass die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für Willenserklärungen im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge entfällt.

II. Im Übrigen werden die weitere und die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen.

 

Gründe

I. Das VormG bestellte mit Beschluss v. 19.3.2003 die Mutter des Betroffenen zur endgültigen Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Wohnungsangelegenheiten sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über Fernmeldeverkehr. Es wurde ein Einwilligungsvorbehalt in den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten angeordnet. Das AG begründete die Betreuerbestellung mit dem Vorliegen einer paranoiden Psychose des Betroffenen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hob der Senat den landgerichtlichen Beschluss v. 19.8.2003 auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurück, weil die einzelnen Voraussetzungen für eine Betreuung in den bezeichneten Aufgabenkreisen nicht vollständig geklärt waren.

Mit Beschluss v. 27.1.2004 ordnete das VormG die vorläufige Unterbringung des Betroffenen wegen vorliegender akuter Psychose an. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren hatte keinen Erfolg. Im Rahmen der Überprüfung der Betreuung hörte der Vormundschaftsrichter am 4.6.2004 sowohl den Betroffenen als auch die Betreuerin an. Auf Ersuchen des Beschwerdegerichts erstellte das Bezirkskrankenhaus K. am 23.6.2004 ein umfassendes psychiatrisches Gutachten über den Betroffenen. Der beauftragte Richter der Beschwerdekammer hörte am 10.8.2004 den Betroffenen und die Betreuerin an.

Mit Beschluss v. 27.8.2004 hat das LG die Betreuungsanordnung des VormG dahingehend abgeändert, dass ein Betreuer nur mehr für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge sowie Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern bestellt wird. Ferner ordnete das Beschwerdegericht einen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen an, die die genannten Aufgabenkreise betreffen. Des Weiteren hat das LG mit Wirkung zum 30.9.2004 die Mutter des Betroffenen als Betreuerin entlassen und ab 1.10.2004 einen Berufsbetreuer am jetzigen Wohnort des Betroffenen bestellt. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene zu Protokoll der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts am 6.9.2004 weitere und sofortige weitere Beschwerde ein. Die ehemalige Betreuerin nahm am 4.10.2004 ihre weitere Beschwerde v. 3.9.2004 zurück, nachdem sie am 1.10.2004 inhaltlich zu der Beschwerde ihres Sohnes Stellung genommen hatte.

II. Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

1. Die weitere und die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen v. 6.9.2004 sind zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden sind. Die von der Rechtspflegerin der Rechtsantragstelle des LG aufgenommene Niederschrift genügt den erforderlichen Formvorschriften. Sie enthält die Darlegung, dass der Betroffene eine Erklärung zu Protokoll abgeben wolle und enthält die Erklärung der Einlegung des Rechtsmittels der weiteren und sofortigen weiteren Beschwerde. Des Weiteren bezeichnet die Niederschrift Ort und Tag der Aufnahme sowie die aufnehmende Person. Die fehlende Unterschrift des Betroffenen begründet keinen Formmangel, da die Niederschrift alle wesentlichen Erfordernisse enthält und die Anfechtung des landgerichtlichen Beschlusses ausdrücklich dem Willen des Betroffenen entsprach (vgl. BayObLGZ 1964, 327 [333]; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 11 FGG Rz. 4; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 21 Rz. 13). Der Umstand, dass der Betroffene die Niederschrift der Rechtspflegerin nicht unterschrieben hat, weil sie davon abgesehen hat, ein mitgebrachtes schriftliches Konvolut in die Niederschrift selbst aufzunehmen, ändert nichts an dem ausdrücklich bekundeten Willen, gegen die Beschwerdeentscheidung Rechtsmittel einlegen zu wollen. Die Unterschrift des Beschwerdeführers ist kein unverzichtbares Merkmal einer Niederschrift (BayObLG BayObLGZ 1964, 327 [333]; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 11 FGG Rz. 4; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 21 Rz. 13). Entscheidend ist, dass die aufgenommene Erklärung dem tatsächlichen Willen des Beschwerdeführers e...

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