Leitsatz (amtlich)
In einem gerichtlichen Verfahren, welches eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für einen geplanten Grundstückskaufvertrag betrifft, hat das Gericht auch dann dem Betroffenen Kenntnis vom Inhalt eines vollständigen, bei den Akten befindlichen Grundbuchauszuges und die Möglichkeit einer Stellungnahme hierzu zu geben, wenn der Betreuer des Betroffenen sich pflichtwidrig nicht um einen vollständigen Grundbuchauszug gekümmert hat.
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 29.09.2003; Aktenzeichen 2T 175/03) |
AG Passau (Aktenzeichen 1-XVII 300/99) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Passau vom 29.9.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Passau zurückverwiesen.
Gründe
I. Für den Betroffenen ist seit 22.7.1999 ein Berufsbetreuer für verschiedene Aufgabenkreise bestellt, darunter Vermögenssorge mit angeordnetem Einwilligungsvorbehalt. Der Betroffene ist Eigentümer eines 648 m2 großen von ihm selbst bewohnten Hausgrundstücks in H. Er bezieht eine monatliche Rente von 1.078 Euro und verfügt über ein Geldvermögen i.H.v. rund 75.000 Euro. Der Betroffene beabsichtigt, ein weiteres 1.600 m2 großes Hausgrundstück in einem anderen Ort zu einem Kaufpreis von ursprünglich rund 79.000 Euro zzgl. Nebenkosten zu erwerben. Das Grundbuch weist in Abteilung II für das Grundstück u.a. eine Belastung mit einem Leibgeding für einen im Jahr 1934 geborenen Voreigentümer aus. Dem Betroffenen und seinem Betreuer, denen der Makler nur einen unvollständigen Grundbuchauszug übermittelt hatte, war dieser Eintrag nicht bekannt. Auf die Anfrage, ob der geplante Kauf vormundschaftsgerichtlich genehmigt werden könne, erklärte der zuständige Rpfleger, eine Genehmigung werde erst dann erteilt, wenn der Betroffene seinerseits einen Käufer für sein Anwesen gefunden habe. Auf die Erinnerung des Betroffenen versagte das AG die Genehmigung.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das LG am 29.9.2003 zurückgewiesen, ohne dem Betroffenen oder seinem Betreuer davon Kenntnis zu geben, dass der dem Gericht vorliegende Grundbuchauszug eine Belastung mit einem Leibgeding enthielt.
Mit seiner weiteren Beschwerde will der Betroffene nach wie vor die Genehmigung des geplanten Kaufvertrages erreichen. Er hat vorgetragen, von einem Leibgeding sei ihm nichts bekannt. Er werde durch den Ankauf auch nicht sonderlich belastet, da sich der Kaufpreis zzgl. Nebenkosten zwischenzeitlich auf 75.818,10 Euro reduziert habe, er neben der Rente noch eine monatliche betriebliche Altersversorgung i.H.v. 296,95 Euro erhalte und er nur vorübergehend bis zum Verkauf seines jetzigen Anwesens zwei Objekte zu unterhalten habe.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 27 Abs. 1, 21 Abs. 2 FGG) und führt in der Sache zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das LG.
1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Der beabsichtigte Grundstückserwerb könne nicht genehmigt werden. Ohne Verkauf des bisherigen Anwesens seien das Vermögen des Betroffenen und die Sicherung seines Lebensbedarfs erheblich gefährdet. Zwar sei den Wünschen des Betroffenen soweit wie möglich der Vorrang einzuräumen, um ihm die Möglichkeit zur eigenen Gestaltung seines Lebens zu geben. Das Objekt sei nach Aussage des Maklers dem Betroffenen wie auf den Leib geschneidert und ermögliche ihm, durch den Ortswechsel seinem durch Nachbarstreitigkeiten belasteten Umfeld zu entkommen. Jedoch bedeute der beabsichtigte Grundstückskauf ein finanzielles Risiko für den Betroffenen. Dieser habe auf unabsehbare Zeit zwei Anwesen zu unterhalten und monatliche Belastungen für die teilweise Fremdfinanzierung sowie das auf dem Grundstück lastende Leibgeding zu tragen.
2. Die Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil die tatsächlichen Feststellungen unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen zustande gekommen sind. Der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf rechtliches Gehör untersagt es den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten, und einen vor der Entscheidung überhaupt nicht erörterten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen. Die Kammer hat dem Betroffenen und seinen Betreuer vor der Beschwerdeentscheidung keine Gelegenheit gegeben, zu dem Grundbuchauszug, welcher dem Gericht in vollständiger Form vorlag, Stellung zu nehmen. Dies wäre aber notwendig gewesen, da der Betroffene und sein Betreuer – wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergeben hat – offensichtlich von der Vollständigkeit des von ihnen vorgelegten Grundbuchauszugs ausgingen. Zwar gehört es zu den grundlegenden Pflichten eines Betreuers, sich vor der Abwicklung eines Grundstückskaufes selbst einen vollständigen Grundbuchauszug zu besorgen, um die Angaben des Maklers und die tatsächliche Sachlage überprüfen zu können, doch kommt es hierauf bei der Frage, ob das rechtliche Gehör verletzt worden ist, nicht an....