Entscheidungsstichwort (Thema)
Abberufung des Liquidators der Firma. Unternehmensnachfolge
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Liquidator einer offenen Handelsgesellschaft kann durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter abberufen werden (§ 147 Halbs. 1 i.V.m. § 146 Abs. 2 Satz HGB). Auf Antrag eines Beteiligten kann diese Abberufung nach § 147 Halbs. 2 i.V.m. § 146 Abs. 2 Satz 2 HGB auch das Gericht vornehmen, wenn wichtige Gründe hierfür bestehen.
2. Die Bezeichnung „Beteiligter” wird im Recht immer dann gebraucht, wenn über einen Betroffenen oder den Inhaber eines Anspruchs oder Rechts hinaus einem größeren Personenkreis die Möglichkeit gegeben werden soll, Rechtsschutz zu erlangen.
3. Nach § 1985 Abs. 1 BGB hat der Nachlassverwalter den Nachlass zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass zu berichtigen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, steht im auch das Recht zu, über Nachlassgegenstände zu verfügen, insbesondere Nachlassforderungen einzuziehen und Nachlassgegenstände zu veräußern.
Normenkette
HGB § 105 Abs. 2, §§ 146-147; BGB § 717 Abs. 2, § 1985
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.07.1987; Aktenzeichen 1 HKT 10287/87) |
AG München (Beschluss vom 03.04.1986) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 29. Juli 1987 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. August 1987 und des Amtsgerichts München vom 9. April 1987 werden aufgehoben.
II. Der Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts München vom 3. April 1986 wird dahin abgeändert, daß der Antrag des Nachlaßverwalters – Beteiligter zu 4) – auf Abberufung des Beteiligten zu 5) als Liquidator als unzulässig abgewiesen wird.
III. Der Beteiligte zu 4) hat die dem Beteiligten zu 1) in den Beschwerdeinstanzen entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
1. Im Handelsregister des Amtsgerichts München ist die Firma O. OHG eingetragen. Die Gesellschaft wurde am 15.7.1955 von dem Beteiligten zu 1) und von … O. gegründet. Der Gesellschaftsvertrag vom selben Tag lautet u. a.:
§ 10
Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod
Scheidet einer der Gesellschafter durch Tod aus, so wird die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt. Die Erben haben die Berechtigung an der Gesellschaft lediglich als Kommanditisten mit dem Beteiligungsanteil des Verstorbenen teilzunehmen, jedoch einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.
Verstirbt Frau O., so verschiebt sich bei der Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben das Kapital- und Gewinnbeteiligungsverhältnis entschädigungslos wie folgt:
- Herr A. (= Beteiligter zu 1) 75 %
- Erben der Frau O. 25 %
Es steht sodann Herrn … A. das besondere Kündigungsrecht des § 9 Abs. 2 zu.
Die Gesellschafter beschlossen die Auflösung der Gesellschaft zum 2.1.1979; sie bestellten den Beteiligten zu 5) zum Liquidator.
Die Gesellschafterin O. ist am 9.3.1980 verstorben. Sie wurde von ihren Enkelkindern, den Beteiligten zu 2) und 3) beerbt. Der Beteiligte zu 4) wurde vom Amtsgericht München am 30.5.1980 zum Verwalter des Nachlasses der verstorbenen Gesellschafterin bestellt.
2. Der Beteiligte zu 4) beantragte die gerichtliche Abberufung des Liquidators und die Bestellung eines anderen Liquidators. Diesen Antrag wies der Rechtspfleger des Registergerichts am 3.4.1986 als unbegründet zurück.
Hiergegen wandte sich der Beteiligte zu 4) mit der befristeten Erinnerung. Der Registerrichter hörte die Beteiligten zu 1) und 5), nicht jedoch die Beteiligten zu 2) und 3) an, und hob am 9.4.1987 den angefochtenen Beschluß des Rechtspflegers auf; zugleich wurde der Beteiligte zu 5) als Liquidator abberufen.
Hiergegen erhoben der Beteiligte zu 5) am 21.4.1987 und der Beteiligte zu 1) am 22.4.1987 sofortige Beschwerde. Das Landgericht wies am 29.7.1987 ein Rechtsmittel des Beteiligten zu 4) als unbegründet zurück, ohne die Beteiligten zu 2) und 3) anzuhören. Diesen Beschluß berichtigte es am 7.8.1987 dahin, daß die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) und 5) zurückgewiesen worden sind. Diese Entscheidung wurde den Beteiligten zu 1) und 5) am 12.8.1987 zugestellt.
3. Gegen die landgerichtliche Entscheidung wendet sich die am 14.8.1987 mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist statthaft (§ 27 FGG), sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 147 Halbs. 2 HGB, § 145 Abs. 1, § 146 Abs. 2 Satz 1, § 29 Abs. 2, § 22 Abs. 1 FGG). Der Rechtsbeschwerdeführer ist zur weiteren Beschwerde berechtigt, weil seine Erstbeschwerde keinen Erfolg gehabt hat (§ 29 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 FGG).
Das Rechtsmittel ist somit zulässig.
2. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Das Landgericht hätte die gerichtliche Abberufung des Liquidators nicht bestätigen dürfen.
a) Die Erstbeschwerde war zulässig. Das Landgericht ist insbesondere zutreffen...