Entscheidungsstichwort (Thema)

Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Begriff der Wechselbezüglichkeit erfordert nicht, daß die Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen oder sonst bedenken. Jedoch sind Verfügungen, durch die jeder Ehegatte die gemeinschaftlichen Kinder zu seinen Erben einsetzt, im Zweifel nicht wechselbezüglich. Denn es ist nach der Lebenserfahrung nicht davon auszugehen, daß ein Elternteil die Kinder nur deshalb im Testament bedenkt, weil dies auch der andere tut. Vielmehr liegt nahe, daß jeder Elternteil auf jeden Fall und unabhängig von der Verfügung des anderen will, daß sein Kind sein Erbe wird.

 

Normenkette

BGB § 2270

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 14.08.1995; Aktenzeichen 4 T 1105/95)

AG Kempten (Aktenzeichen 5 VI 608/94)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 14. August 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 145.000 DM festgesetzt wird.

II. Der Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 145.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der im Alter von 82 Jahren verstorbene Erblasser war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammt sein einziges Kind, der Beteiligte zu 1.

Am 28.9.1981 haben der Erblasser und seine erste Ehefrau in einem gemeinschaftlichen Testament den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben ihres gesamten Vermögens eingesetzt und dabei insbesondere ein Hausgrundstück erwähnt, das ihr wesentliches Vermögen darstellte. Am 12.10.1981, wenige Tage vor ihrem Tod, hatte die Ehefrau ihren hälftigen Miteigentumsanteil an diesem Grundstück auf den Beteiligten zu 1 übertragen.

Am 14.10.1982 heiratete der Erblasser in zweiter Ehe die Beteiligte zu 2. Die Eheleute lebten bis zum Tod des Erblassers in dem bereits erwähnten Haus. Am 24.5.1983 erklärte der Erblasser zu notarieller Urkunde, daß es sich bei dem gemeinschaftlichen Testament vom 28.9.1981 nicht um ein wechselbezügliches Testament handle. Er hebe deshalb seine letztwillige Verfügung in dem Testament auf. Gleichzeitig setzte er den Beteiligten zu 1 erneut zum Alleinerben ein und ordnete verschiedene Vermächtnisse zugunsten der Beteiligten zu 2 an. In einer eigenen notariellen Urkunde vom selben Tag erklärte er, daß er das gemeinschaftliche Testament vom 28.9.1981 vorsorglich wegen Übergehung des Pflichtteilsrechts seiner zweiten Ehefrau anfechte. Die Anfechtungserklärung wurde dem Nachlaßgericht übersandt. Der Beteiligte zu 1 erhielt auf Wunsch des Erblassers beglaubigte Abschriften der Urkunden.

Zusammen mit der Beteiligten zu 2 hat der Erblasser am 15.12.1986 ein weiteres privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin haben die Ehegatten vorsorglich alle früheren Verfügungen von Todes wegen aufgehoben und sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt.

Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweisen soll. Er ist der Meinung, aus der Zusammenschau der beiden Urkunden vom 24.5.1983 ergebe sich, daß die Anfechtung nach dem Willen des Erblassers nur eine beschränkte Wirkung gehabt habe. Dieser habe die ihn bindende Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 28.9.1981 nur insoweit beseitigen wollen, als er seiner zweiten Ehefrau in dem neuen Testament Vermächtnisse zugewandt habe. Daher habe die Bindung fortbestanden, die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 habe in dem Testament vom 15.12.1986 nicht mehr aufgehoben werden können. Die Beteiligte zu 2 hat ihrerseits auf der Grundlage des Testaments vom 15.12.1986 einen Erbschein ebenfalls als Alleinerbin beantragt.

Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 15.3.1995 einen Erbschein entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 2 angekündigt und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluß vom 14.8.1995 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, der die Beteiligte zu 2 entgegengetreten ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist mit dem Ziel der Aufhebung des Vorbescheids statthaft, da der Erbschein zwar für die Akten erstellt, aber noch nicht erteilt worden ist (BayObLGZ 1991, 10/12). Sie ist auch im übrigen zulässig, hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg. Lediglich die Geschäftswertfestsetzung des Landgerichts ist abzuändern.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 28.9.1981 enthaltenen Verfügungen des Erblassers und seiner ersten Ehefrau seien wechselbezüglich. Beide Ehegatten hätten ihren einzigen Sohn, den Beteiligten zu 1, in einer sprachlich einheitlich gefaßten Verfügung zum Alleinerben eingesetzt. Der gegenseitige Verzicht auf einen Erbanspruch sei ein Anhaltspunkt für die Wechselbezüglichkeit, ebenso der Umstand, daß das Testament im Besitz des Beteiligten zu 1...

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