Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrecht
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen des § 19 Abs. 4 KostO kann nicht generell gefordert werden, dass das privilegierte Geschäft einen Generationswechsel zum Gegenstand haben soll. Vielmehr ist die Privilegierung auch auf andere güter- und erbrechtlich Geschäfte zu erstrecken, die im Rahmen des Erhalts und der Fortführung des Betriebes in einer bäuerlichen Familie üblich und erforderlich sind. Demgemäß können auch Eheverträge (z.B. die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft) und Scheidungsvereinbarungen, die naturgemäß auch weitere, den landwirtschaftlichen Betrieb nicht betreffende Vermögensvereinbarung zum Gegenstand haben, unter § 19 Abs. 4 KostO fallen
Normenkette
KostO § 19 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 17.05.2002; Aktenzeichen 5 T 104/02) |
AG Cham (Aktenzeichen VI 198/01) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 17. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die am 29.9.2001 verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten seit 19.2.1988 verheiratet. Die Eheleute haben am 11.3.1988 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Darin haben sie Gütergemeinschaft vereinbart; der Beteiligte hat ein landwirtschaftliches Anwesen in das Gesamtgut eingebracht; die Ehegatten haben sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt.
Das Amtsgericht eröffnete am 29.10.2001 den Erbvertrag. Durch Beschluß vom 25.2.2002 setzte es den Geschäftswert hierfür auf 539.991,53 DM fest. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde machte der Beteiligte geltend, daß § 19 Abs. 4 KostO angewendet werden müsse.
Das Landgericht hat dem Einwand des Beteiligten Rechnung getragen und am 17.5.2002 den amtsgerichtlichen Beschluß aufgehoben sowie den Geschäftswert auf 54.914,23 EUR festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Staatskasse.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist vom Landgericht zugelassen worden (§ 31 Abs. 3 Satz 1, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO) und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 50 EUR, der sich ebenfalls aus den genannten Vorschriften ergibt, erreicht. Unter Zugrundelegung des vom Amtsgericht festgesetzten Geschäftswerts, den die Staatskasse mit ihrer weiteren Beschwerde anstrebt, beträgt die Hälfte der vollen Gebühr, die für die Eröffnung des Erbvertrags anfällt (§ 102 KostO), 460 DM (§ 32 KostO a.F., § 161 Satz 1 KostO), während sie sich unter Zugrundelegung des vom Landgericht festgesetzten Geschäftswerts auf nur 145 DM beläuft. Die Differenz von 315 DM macht umgerechnet 161,06 EUR aus.
Die weitere Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
1. Das Landgericht hat der Ermittlung des Geschäftswerts zutreffend die Vorschriften der § 103 Abs. 1, § 46 Abs. 4 KostO zugrunde gelegt. Da durch den eröffneten Erbvertrag über einen Nachlaß insgesamt verfügt wurde, ist danach der Wert des nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögens maßgeblich; Vermächtnisse, Pflichtteilsrechte und Auflagen werden nicht abgezogen. Bei der Bewertung des Vermögens der Verstorbenen hat das Landgericht zu Recht das sogenannte Landwirtschaftsprivileg (§ 19 Abs. 4 KostO) angewandt.
a) § 19 Abs. 4 KostO privilegiert Geschäfte, welche die Überlassung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle oder die Fortführung des Betriebes in sonstiger Weise betreffen, indem er das Vierfache des letzten Einheitswerts als Grundlage der Gebührenberechnung vorsieht. Gesetzgeberisches Ziel ist die Förderung der frühzeitigen Regelung der Hofnachfolge und die Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe (BT-Drucks. 11/2342 S. 6). Durch die Fassung „oder die Fortführung des Betriebes in sonstiger Weise betrifft” wird klargestellt, daß die vorangehende Aufzählung von Überlassungstatbeständen nicht abschließend ist und unter die Regelung im Einzelfall auch solche Geschäfte fallen können, die nur mittelbar der Fortführung des Betriebes dienen (BayObLGZ 1991, 200/202).
Zwar soll § 19 Abs. 4 KostO insbesondere die Hofnachfolge und deren frühzeitige Regelung fördern. Er dient aber auch im übrigen der Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe in der bäuerlichen Familie. Wie die Erwähnung der Gesamtgutsauseinandersetzung in § 19 Abs. 4 Satz 1 KostO zeigt, wollte der Gesetzgeber Geschäfte aus Anlaß der Beendigung der Ehe, die üblicherweise mit einer Gesamtgutsauseinandersetzung verbunden sind, nicht von der Privilegierung ausschließen. Auch sie sind in aller Regel für die Fortführung des Betriebes von erheblicher Bedeutung, zumal sie zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem die Betriebsführung ohnehin durch den Ausfall eines Familienmitglieds besonders belastet ist. Deshalb kann im Rahmen des § 19 Abs. 4 KostO nicht generell gefordert werden, daß das privilegierte Geschäft einen Generationswechsel zum Gegenstand haben soll. Vielmehr ist die Privilegierung auch auf andere güter- und erbrechtliche Geschäfte ...