Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch die Einführung der Privilegierung in § 19 Abs. 4 KostO wollte der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 67, 348/367 f.; vgl. auch BVerfGE 15, 337/342) der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe dienen, die vielfach seit Generationen in der Hand bäuerlicher Familien geführt werden. Daraus folgt, daß unter die Privilegierung nur solche land- oder fortwirtschaftliche Betriebe fallen, die der bäuerlichen Familie tatsächlich als Existenzgrundlage dienen.

 

Normenkette

KostO § 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 16.07.1996; Aktenzeichen 3 T 77/96)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 16. Juli 1996 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1. Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 21.12.1995 überließ die Beteiligte zu 1) ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 2), das landwirtschaftliche Anwesen mit dazu gehörigem weiteren Grundbesitz gegen Einräumung eines Wohnungsrechts, Verpflegungsrechts, Wart und Pflege sowie Benützung eines Pkw's. Mitübergeben wurden auch die am Anwesen vorhandenen land- und forstwirtschaftlichen Maschinen, Geräte und Vorrichtungen sowie sonstiges Anlagevermögen. Der Einheitswert des Betriebs wurde zum 1.1.1974 mit 65 400 DM festgestellt.

Die landwirtschaftlichen Flächen nehmen seit 1995 an einem staatlich subventionierten Kulturlandschaftsprogramm teil, in dessen Rahmen sie von Ackerland in Wiesen umzuwandeln waren, die der Beteiligte zu 2), der in dem überlassenen Anwesen nunmehr eine Musikschule betreibt, unter bestimmten Pflegevorgaben gegen eine jährliche Subvention von 650 DM pro Hektar zur Gewinnung von Bioheu nutzt.

2. Für die verfahrensgegenständliche Beurkundung erstellte der beteiligte Notar unter dem 22.1.1996 eine Kostenberechnung über 7 159,79 DM, welcher er den Verkehrswert des Grundbesitzes (§ 19 Abs.2 KostO) in Höhe von 1 546 037,50 DM als Geschäftswert zugrunde legte.

Gegen die Kostenberechnung erhob der Beteiligte zu 2) Einwendungen. Er ist der Ansicht, daß ihm das Landwirtschaftsprivileg des § 19 Abs.4 KostO zugute kommen müsse und der Geschäftswert deshalb nach dem vierfachen Einheitswert zu bemessen sei. Das Kulturlandschaftsprogramm könne keineswegs einer Flächenstillegung gleichgestellt werden. Der Hof diene ihm und seiner Familie weiterhin als Existenzgrundlage, zumal er nach Ablauf des Programms wieder Ackerwirtschaft betreiben werde.

Das Landgericht hat die Notarkostenbeschwerde des Beteiligten zu 2) mit Beschluß vom 16.7.1996 zurückgewiesen; die weitere Beschwerde hat es zugelassen. Die Hofübergabe sei nach dem gemeinen Wert zu bewerten. Die Privilegierung des § 19 Abs.4 KostO komme nicht zur Anwendung, weil sie ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger Betriebe im Familienbesitz Rechnung tragen solle und der Betrieb des Beteiligten zu 2) derzeit nicht aus eigener Kraft lebe, sondern auf längere Zeit in ein Subventionierungsprogramm eingebunden sei.

3. Mit seiner weiteren Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung begehrt der Beteiligte zu 2) weiterhin die Anwendung des Landwirtschaftsprivilegs des § 19 Abs.4 KostO auf die Hofübergabe. Ob ein landwirtschaftlicher Betrieb für eine Fortführung leistungsfähig sei, dürfe nur daran gemessen werden, ob der Betrieb seiner Größe nach leistungsfähig fortgeführt werden könnte, wenn er nicht am Kultur- und Landschaftsprogramm teilnehmen würde. Er – der Beschwerdeführer – wolle die Ackerbewirtschaftung des Betriebs nach Ablauf des Programms wieder aufnehmen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde (§ 156 Abs.2 Satz 1 und 2 KostO) ist sachlich nicht begründet. Das Landwirtschaftsprivileg des § 19 Abs.4 KostO ist auf die vorliegende Hofübergabe nicht anzuwenden.

Durch die Einführung der Privilegierung in § 19 Abs.4 KostO wollte der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 67, 348/367 f.; vgl. auch BVerfGE 15, 337/342) der Erhaltung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe dienen, die vielfach seit Generationen in der Hand bäuerlicher Familien geführt werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates BT-Drucks.11/2343 S.6 f.). Daraus folgt, daß unter die Privilegierung nur solche land- oder fortwirtschaftliche Betriebe fallen, die der bäuerlichen Familie tatsächlich als Existenzgrundlage dienen (BayObLGZ 1992, 231; Rohs/Wedewer KostO 3.Aufl. § 19 Rn.55 d; Göttlich/Mümmler KostO 12.Aufl. Stichwort „Grundbesitzwert” S.569). Grund und Boden soll nicht nur Standort, sondern m a ß g e b e n d e r Produktionsfaktor sein (vgl. BVerfGE 67, 348/367).

Diese Voraussetzungen werden im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebt der landwirtschaftliche Betrieb des Beteiligten zu 2) derzeit auch nicht teilweise aus eigener Kraft, sondern ist auf längere Zeit in ein staa...

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