Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Privilegierung nach § 19 Abs. 4 KostO setzt eine gewisse Mindestgröße des bäuerlichen Betriebs voraus.
2. Das Gesetz selbst enthält keine derartige Mindestgröße. Diese ist vielmehr im Einzelfall gesondert zu beurteilen. Zu ihrer Ermittlung bieten sich die einschlägigen landwirtschaftlichen Gesetze gleicher Zielsetzung an, z.B. das Gesetz zur Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft – LaFG – vom 12.7.1989 BGBl. I, 1435: mindestens 5 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche; Gesetz über die Altershilfe für Landwirte – GAL – vom 14.9.1965, BGBl. I, 1449. Diese Gesetze schaffen allerdings nur Anhaltspunkte für die Anwendung des § 19 Abs. 4 KostO, nicht aber eine strikte Bindung an die in ihnen vorgesehenen Mindestgrößen, wenn diese – wie hier – annähernd erreicht werden.
Normenkette
KostO § 19 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 02.09.1996; Aktenzeichen 2 T 181/96) |
AG Passau (Aktenzeichen 1 VI 597/93) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Passau vom 2. September 1996 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß sich die Gebühren für die Erteilung des Erbscheins und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung auf je 7 130 DM belaufen.
Tatbestand
I.
1. Am 27.7.1993 verstarb der Landwirt L. Er wurde mangels letztwilliger Verfügung entsprechend der gesetzlichen Erbfolge von seiner Ehefrau und seinen vier Kindern, darunter dem Beteiligten, beerbt. Unter dem 22.9.1994 erteilte das Amtsgericht den gesetzlichen Erben einen gemeinschaftlichen Erbschein. Mit notariellem Vertrag vom 11.11.1994 übertrugen die übrigen Erben ihre Erbanteile auf den Beteiligten. Dieser wurde dadurch Alleinberechtigter am Nachlaß, zu dem auch ein landwirtschaftlicher Betrieb gehört, dessen Einheitswert zum 1.1.1990 auf 48 300 DM festgestellt worden war.
2. Mit Kostenrechnung vom 13.12.1995 stellte der Kostenbeamte des Amtsgerichts dem Beteiligten u.a. für die Erteilung des Erbscheins gemäß § 107 KostO und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung gemäß §§ 107, 49 KostO aus einem Geschäftswert von 6 960 000 DM je eine Gebühr von 10 550 DM in Rechnung. In den Geschäftswert war der landwirtschaftliche Besitz mit dem Verkehrswert einbezogen worden.
Mit seinen Erinnerungen gegen diesen Kostenansatz wandte sich der Beteiligte insbesondere dagegen, daß der landwirtschaftliche Betrieb nicht nach § 19 Abs.4 KostO mit dem vierfachen steuerlichen Einheitswert bewertet worden sei.
Das Amtsgericht (Rechtspfleger) entsprach mit Beschluß vom 6.5.1996 den Erinnerungen und setzte den Wert des landwirtschaftlichen Betriebs mit 193 200 DM (vierfacher Einheitswert) an.
Hiergegen legte die Staatskasse Erinnerungen ein. Vorliegend könne das Landwirtschaftsprivileg des § 19 Abs.4 KostO nicht angewendet werden, weil es an einem gesetzlich geforderten leistungsfähigen Betrieb mit einer gewissen Mindestgröße fehle. Der Beteiligte bewirtschafte lediglich 4,64 ha landwirtschaftlichen Grund und falle deshalb nicht einmal unter die Versicherungspflicht des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte – GAL – vom 14.9.1965, die in dieser Gegend eine Mindestgröße von 6 ha verlange. Nach der Größe des geerbten Grundes dürften auch höchstens 4,5 Stück Großvieh gehalten werden, während der Beteiligte im Durchschnitt 13 Rinder halte und deshalb Futter zukaufen müsse.
Rechtspfleger und Nachlaßrichter haben den Erinnerungen insoweit nicht abgeholfen.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 2.9.1996 auf die Beschwerde der Staatskasse den Beschluß des Amtsgerichts vom 6.5.1996 dahingehend abgeändert, daß der Kostenbeamte angewiesen wird, einen Gebührengesamtbetrag von 17 427,50 DM anzusetzen, der sich für die Erteilung des Erbscheins und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung (Geschäftswert je 4 677 157 DM) aus einer Gebühr von je 7 100 DM zusammensetze. Die Voraussetzungen des § 19 Abs.4 KostO seien vorliegend gegeben. Der Beteiligte erziele aus dem landwirtschaftlichen Betrieb einen nicht unerheblichen Teil des Familieneinkommens. Er führe den ererbten Betrieb als vollschichtige Landwirtschaft. Im Schnitt halte er 13 Rinder sowie 20 Mastschweine und Geflügel und erziele einen jährlichen Überschuß von 8 600 DM, zu dem noch öffentliche Förderungen kämen. Die Versicherungspflicht nach dem GAL sei nur einer von mehreren Aspekten, die im Einzelfall für die Einordnung unter § 19 Abs.4 KostO von Bedeutung sein könnten.
3. Mit ihrer weiteren Beschwerde begehrt die Staatskasse, es bei der Kostenrechnung vom 13.12.1995 zu belassen. Es liege kein leistungsfähiger landwirtschaftlicher, sondern ein sterbender Betrieb vor, dessen stadtnahe Flächen immer mehr in Bauplätze umgewandelt worden seien.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist zulässig (§ 14 Abs.3 Satz 2, Abs.4 KostO), sachlich jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht haben für die Erteilung des Erbscheins und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung einen z...