Leitsatz (amtlich)
1. § 1897 Abs. 3 BGB normiert einen absoluten Ausschlußgrund für die Bestellung als Betreuer, mit der Folge, daß die Bindung des Gerichts an einen Vorschlag des Betroffenen entfällt.
2. Ein Abhängigkeitsverhältnis im Sine von § 1897 Abs. 3 BGB besteht auch, wenn der vorgeschlagene Betreuer in einem Heim als Angestellter tätig ist, das der gleichen Leitung unterliegt wie das Heim in dem der Betreute wohnt.
Normenkette
BGB § 1897 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 09.05.1996; Aktenzeichen 4 T 173/96) |
AG Kaufbeuren (Aktenzeichen XVII 80/95) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 9. Mai 1996 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Am 24.8.1995 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Vereinsbetreuerin mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit der Betroffenen, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten. Auf die Beschwerde der Betroffenen entließ das Amtsgericht mit Beschluß vom 20.11.1995 die Vereinsbetreuerin und bestellte die Tochter der Betroffenen zur Betreuerin. Hiergegen legte die Beteiligte (Betreuungsstelle) Beschwerde ein. Dieses Rechtsmittel wies das Landgericht mit Beschluß vom 9.5.1996 zurück. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten. Die Tochter dürfe nach § 1897 Abs. 3 BGB nicht zur Betreuerin bestellt werden, weil sie als Pflegekraft in einem Kreisaltenheim arbeite, das unter der gleichen Leitung stehe wie das Kreisaltenheim, in dem die Betroffene lebe. Die Tochter stehe in Abhängigkeit zum Leiter beider Heime, der ihr nächster Dienstvorgesetzter sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beteiligte ist unabhängig von eigener Beschwer beschwerdeberechtigt (§ 69g Abs. 1 FGG; BayObLG BtPrax 1995, 181 = FamRZ 1995, 1596). Gegenstand des Rechtsmittels ist die Auswahl des Betreuers. Die Voraussetzungen für die Betreuung als solche sind nicht mehr zu prüfen (vgl. a. BayObLGZ 1995, 220).
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, gemäß § 1897 Abs. 3 BGB dürfe nicht zum Betreuer bestellt werden, wer zu einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung, in welcher der Betroffene untergebracht sei oder wohne, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung stehe. Diese Vorschrift sehe keine Möglichkeit vor, den Ausschluß von der Betreuerbestellung im Einzelfall zu durchbrechen. Voraussetzung für die Anwendung des § 1897 Abs. 3 BGB sei, daß das Abhängigkeits- oder Näheverhältnis zur Einrichtung selbst und nicht nur zu deren Träger bestehe. Das Amtsgericht habe zu Recht die Tochter als Betreuerin bestellt. Der Umstand, daß die Tochter in einem Altenheim arbeite, das unter gleicher Leitung stehe wie das von der Betroffenen bewohnte, begründe kein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von § 1897 Abs. 3 BGB.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 1897 BGB lägen vor. Dem Wunsch der Betroffenen sei gemäß § 1897 Abs. 4 BGB zu entsprechen, da er dem Wohl der Betroffenen nicht zuwiderlaufe. Die Eignung der Tochter, die Angelegenheiten der Betroffenen zu besorgen, stehe außer Frage (§ 1897 Abs. 1 BGB).
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.
a) Der Vorschlag des Betroffenen, eine bestimmte Person zu seinem Betreuer zu bestellen, begründet unabhängig von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen (BayObLG FamRZ 1994, 530; Knittel BtG § 1897 BGB Rn. 18; Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. § 1897 Rn. 17) einen Vorrang dieser Person vor allen anderen in Betracht kommenden Personen (Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl. § 1897 Rn. 9). Dem Vorschlag ist vom Gericht grundsätzlich zu entsprechen (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB; BayObLGZ 1996 Nr. 34; MünchKomm/Schwab BGB 3. Aufl. § 1897 Rn. 18).
Diese Bindung entfällt, wenn der Vorgeschlagene als Betreuer ungeeignet ist. Dies ist dann der Fall, wenn er gemäß § 1897 Abs. 3 BGB nicht zum Betreuer bestellt werden kann (Knittel BtG Rn. 17, Jürgens Betreuungsrecht Rn. 11 und 15, Palandt/Diederichsen Rn. 20 je zu § 1897 BGB). Die Ausschlußwirkung des § 1897 Abs. 3 BGB kann auch ein Vorschlag des Betroffenen nicht überwinden (OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 1416; Ermann/Holzhauer a.a.O.; MünchKomm/Schwab a.a.O. Rn. 23; Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein Das neue Betreuungsrecht 3. Aufl. Rn. 115; Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 1897 Rn. 10).
Nach dieser Bestimmung kann nicht zum Betreuer bestellt werden, wer zu einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung, in welcher der Betroffene untergebracht ist oder wohnt, in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung steht. Diese Vorschrift läßt dem Gericht keinen Ermessensspielraum, sie enthält einen absoluten Ausschlußgrund (Bienwald Betreuungsrecht 2. Aufl. § 1897 BGB Rn. 67a). Nach § 1897 Abs. 3 BGB besteht keine Möglichkeit, den Ausschluß von der Betreuerbestellung im Einzelfall zu durch...